Audienzansprachen zum Paulusjahr
1 J. Kard. Ratzinger, Aus meinem Leben. Erinnerungen, Stuttgart 21998, 58.
2 So der Untertitel (erschienen: München 2002).
3 Lüneburg 2001.
4 Vgl. H. Menge / O. Güthling, Großwörterbuch Griechisch-Deutsch. Unter Berücksichtigung der Etymologie, Berlin 251984, 348.
5 J. Gnilka, Paulus (s. Anm. 2) 180-289.
6 Vgl. Benedikt XVI. / J. Ratzinger, Zur Gemeinschaft gerufen. Kirche heute verstehen, Freiburg i. Br. 1991/2005, 30.
7 Vgl. Benedikt XVI., Paulus entdecken (hrsgg. von B. Pottler), Leipzig o.J. (2007/08), 22-24 (Ansprache bei der Vesper am 28.6.2007).
8 Th. Schnitzler, Die Heiligen im Jahr des Herrn. Ihre Feste und Gedenktage, Freiburg i. Br. 1979, 215.
„Ihr alle seid einer in Christus“ (Gal 3,28). von Benedikt XVI.
Symposium 2009 in Burghausen (Haus „Heilig Geist“), Sonntag, 19. April
Die Audienzansprachen von Papst Benedikt XVI. zum Paulusjahr
Otto Schwankl
Von Tarsus bis Tre Fontane
I. Grundsätzliche Hinführung
1. Ein Symposium: Trinken aus Hirnschalen
Ein „Symposium“ ist wörtlich genommen ein gemeinschaftliches Trinken. Aber der Hauptsinn des Wortes hat sich schon im alten Griechenland vom Leiblichen zum Geistigen verschoben: Es ist, frei nach einem Wort von Josef Blank, ein Trinken aus Hirnschalen, wie wir es heute halten. Die Vorsteher des heutigen Symposiums, die „Zechmeister“ oder „Symposiarchen“ Pater Prof. Stephan Horn und der Geburtshausverwalter Ludwig Raischl, haben mich für die erste Stunde sozusagen als Mundschenk angeheuert. Das Becken oder Faß, aus dem der Trank entnommen wird, ist bei diesem Burghausener Symposium die Theologie von Joseph Ratzinger bzw. Papst Benedikt XVI. Auch wenn sie nicht allen gleich gut schmeckt, wird doch niemand bestreiten, daß er wirklich ein „theologisches Faß“ ist, dessen Inhalt für unzählige Symposien ausreicht.
Das heurige Symposium fällt in das von Benedikt XVI. ausgerufene Paulusjahr. Deswegen hält ein Neutestamentler den Vortrag. Zusammen mit Papst Benedikt soll auch Paulus zum Zug kommen, der übrigens in Apg 9,15 ein „auserlesenes Gefäß“ (lateinisch: vas electionis) genannt wird. So halten wir heute nicht nur ein Ratzinger- bzw. Benedikt-Symposium, sondern auch ein Paulus-Symposium; und ich soll Ihnen beides (bzw. beide) gleichzeitig vorsetzen. Daraus folgt aber, daß Sie als Hörer des Vortrags aus mindestens drei Hirnschalen trinken, nämlich der des Paulus, des Papstes, und dazu des Referenten, der Ihnen das Ganze zuleitet. Eine solche Übermittlung oder Transfusion, bei der Benedikt aus zweiter und Paulus aus dritter Hand zu Ihnen gelangt, hat, wie jede Vermittlung, Nachteile und Gefahren, die aber hoffentlich aufgewogen werden durch Chancen und Vorteile. Ein Vermittler kann Brücken schlagen und dabei dem, was er vermittelt, auch eine persönliche Note und Farbe geben. Er legt ein persönliches Zeugnis ab; und wenn es ein ehrliches und ein Pro-Zeugnis ist, wird es auch dann noch nützlich sein, wenn es unzureichend ausfällt. So will ich meinen Mund auftun zum zweifachen Zeugnis: einmal für Joseph Ratzinger, der heute seit vier Jahren Benedikt XVI. ist, und gemeinsam mit ihm für Paulus, den der Papst mit Johannes Chrysostomus als „geistliche Posaune“ tituliert.
Beide, Paulus wie Benedikt XVI., sind freilich nicht unumstritten; und wir müssen bei diesem Symposium ihre Theologie auch nicht mit ungeteiltem Wohlgefallen aufnehmen, sondern können sie nach Art einer Weinprobe auch kritisch abschmecken und manche Tropfen und mit dem gebotenen Respekt als wenig schmackhaft empfinden.
2. Eine Buchbesprechung: Audienzansprachen und Vortrag
Das Bild von der Weinprobe hilft eventuell auch, das Konzept meines Vortrags besser zu verstehen. Zunächst verweise ich auf die Eingrenzung, die der Untertitel angibt. Ich kenne das theologische Werk Joseph Ratzingers nur zum Teil. Aber Ludwig Raischl hat mir von vornherein vorgeschlagen, für den Vortrag nur die Ansprachen des Papstes zugrundezulegen, die er im Rahmen des Jubiläumsjahres bei den Generalaudienzen über Paulus gehalten hat. Es ist eine Serie von zwanzig Ansprachen, die er am Mittwoch nach Peter und Paul, das heißt am 2. Juli 2008 begonnen und am 4. Februar 2009 beendet hat. Selbstverständlich kommt Paulus auch in vielen anderen Texten von Ratzinger und Benedikt XVI. zur Sprache, übrigens auch schon in früheren Mittwochs-Audienzen. Wir konzentrieren uns aber auf die zwanzig Audienz-Ansprachen im Jubiläumsjahr, die Benedikt selbst „Katechesen“ nennt. Sie haben zusammengenommen den Umfang eines normalen Buches. Wenn wir die Ansprachen in diesem Sinn als ein Paulusbuch des Papstes betrachten, gewinnt der Vortrag darüber von selbst den Charakter einer „Buchbesprechung“ oder Rezension, die in der wissenschaftlichen Welt eine eigene Textsorte darstellt.
3. Eine Entdeckung: Joseph Ratzinger als Exeget
Die Zuordnung geht allerdings nicht ganz auf. Normalerweise sind der Buchautor und der Rezensent von derselben Zunft, also mindestens Fach-, wenn nicht sogar Berufskollegen. Das trifft aber in diesem Fall nicht zu; kirchenamtlich sowieso nicht, weil der Papst naturgemäß keine „Berufskollegen“ haben kann; aber ich meine die theologische Zunft. Dazu muß ich für die Nicht-Theologen eine Kurzinformation einschieben, die mich dann zu einem persönlichen Bekenntnis weiterführt: Die wissenschaftliche Theologie ist in vier große Regionen geteilt: die biblische, die historische, die systematische und die praktische Theologie. Joseph Ratzinger ist ein promovierter und habilitierter Dogmatiker. Er ist also auf dem systematischen Feld zuhause und war dementsprechend (vierzehn Jahre lang) Dogmatikprofessor. Mein Fachgebiet ist dagegen die Bibelwissenschaft und näherhin die neutestamentliche Exegese. Deswegen drängt sich die Beschäftigung mit Ratzingers Theologie für mich nicht auf, und sie ist längere Zeit auf Sparflamme geblieben. Hinzu kommt noch, daß das Verhältnis von Exegese und Dogmatik seit Jahrzehnten kompliziert ist. Der Münchener Neutestamentler Josef Schmid hat es mit Lk 16,26 beschrieben, dem Wort Abrahams im Gleichnis vom reichen Prasser und armen Lazarus: „Außerdem besteht zwischen uns und euch ein großer Abgrund (lateinisch chaos magnum), so daß niemand von hier zu euch oder von dort zu uns kommen kann, selbst wenn er wollte“. (In Klammern gesagt: Logischerweise stellt sich dann die Frage, welche Zunft in Abrahams Schoß und welche im Hades ist).
Ich meine zwar sagen zu können, daß ich diese Sicht nie übernommen habe; aber sie hat mich insofern gestreift, als es mir lange nicht eingefallen wäre, in Joseph Ratzinger einen „Fachkollegen“ zu sehen. Immerhin habe ich bei der Arbeit an einigen Themen (z. B. Lichtsymbolik, johanneisches Weltverständnis; Person und Amt des Petrus) zwischendurch auch Ratzinger-Beiträge studiert; und ich habe dabei nicht nur jedesmal viel profitiert, sondern es ist mir bald gedämmert und allmählich klar geworden, daß hier nicht ein bloßer Dogmatiker am Werk ist, der exegetische Fertigteile mit-einbaut; auch kein exegetischer „Wilderer“, der auf eigene Faust in fremde Reviere eindringt und sich darin holt, was er braucht, sondern ein echter Bibliker, ein wirklicher, fachkundiger Exeget, der eine durch und durch biblische Dogmatik betreibt. Dieser Eindruck hat sich bei mir inzwischen soweit verstärkt und gefestigt, daß ich Joseph Ratzinger resp. Benedikt XVI. als Exegeten voll anerkenne und daher – unbeschadet dessen, was er sonst noch alles ist – als einen „Fachkollegen“ betrachte.
Das ist freilich ein persönliches Bekenntnis, das die Mehrheit meiner Zunftkollegen, jedenfalls der deutschsprachigen Neutestamentler, wahrscheinlich nicht unterschreiben würde, das aber nach meiner Überzeugung trotzdem stimmt. Ratzinger selbst schreibt in seiner Autobiographie: „Exegese ist für mich immer Zentrum meiner theologischen Arbeit geblieben“1 (ein großer Unterschied zu K. Rahner!).
Die Audienz-Ansprachen des Papstes Benedikt seit seiner Wahl heute vor vier Jahren liegen ganz auf dieser biblischen Linie. Von den vier größeren Themenreihen, die er bisher vorgetragen hat, sind drei unmittelbar biblisch ausgerichtet: Die erste (April 2005 bis Februar 2006) war den Psalmen des Stundengebets gewidmet; die zweite (März 2006 bis Februar 2007) den Aposteln und Apostelschülern bzw. -mitarbeitern, inclusive Frauen. Die dritte Reihe (März 2007 bis Februar 2008) hat den Apostelzyklus kirchengeschichtlich fortgesetzt mit den Kirchenvätern bis zu Augustinus. Die vierte Serie war dann die über Paulus, im Rahmen des Jubiläumsjahrs 2008/2009. Ihr wenden wir uns jetzt zu.
II. Kommentierende Besprechung
Die Hauptaufgabe einer Buchbesprechung besteht darin, die Anlage und den Inhalt des Buches in geraffter Form darzustellen und aus der Sicht des Rezensenten, in diesem Fall des Neutestamentlers, zu kommentieren.
0. Ziel, Ansatz und Überblick
(1) Die zwanzig Katechesen zu Paulus (abgekürzt KaP), die Benedikt in der „mittwöchigen“ Generalaudienz nacheinander gehalten hat, haben dasselbe Ziel wie das ganze Paulusjahr, das der Papst als einen Lernprozeß versteht und dessen Zweck er in der ersten Katechese wie ein Religionslehrer programmatisch umreißt und mit drei Wendungen verdeutlicht: „Vom hl. Paulus lernen, den Glauben lernen, Christus lernen, schließlich den Weg des rechten Lebens lernen“ (KaP 1,4).
(2) Damit ist der Blickwinkel eingestellt, der die Paulus-Darstellung Benedikts leitet: Paulus als Lehrer und als Vorbild. Der Papst weiß, daß dieses Programm anspruchsvoll ist. Er nennt Paulus im ersten, grundlegenden Abschnitt eine „herausragende, fast unnachahmliche, aber dennoch anregende Gestalt“ (KaP 1,2). Das Anregende und Beispielhafte des Paulus liegt nach Benedikt, kurz gesagt, einerseits in der „totalen Hingabe an den Herrn und seine Kirche“, andererseits in einer „großen Öffnung hin zur Menschheit und ihren Kulturen“ (KaP 1,2).
Bevor er diesen Kern entfaltet, spricht der Papst noch die Frage an, wie wir in den Lernprozeß einsteigen, was wir tun können, damit er in Gang kommt und uns voranbringt. Die Antwort darauf sind die zwei Tätigkeitswörter „verehren“ und „verstehen“. Wir sollen und können Paulus einerseits als große Heiligengestalt verehren und uns andererseits um ein tieferes Verstehen seiner Lehre bemühen. Damit ist zugleich eine andere Unterscheidung angesprochen, die das ganze Konzept der Pauluskatechesen bestimmt und durchzieht: Das Verehren bezieht Benedikt im Auftakt auf die Gestalt des heiligen Paulus, das Verstehen auf seine Lehre. In der Jesusforschung werden die beiden Aspekte manchmal „Person und Botschaft“ genannt. Im Blick auf Paulus könnte man auch von „Biographie“ und „Theologie“ sprechen, die eng miteinander verwoben sind.
(3) Wenn man die zwanzig Paulusansprachen unter diesem Gesichtspunkt durchgeht, kann man sagen, daß acht von ihnen, nämlich die ersten sieben und die letzte, mehr geschichtlich-biographisch, die übrigen zwölf mehr theologisch ausgerichtet sind.
Das ergibt sich wahrscheinlich ohne bewußte Planung von selbst, weil der Papst zunächst die Biographie des Paulus, sein Leben und Wirken, und danach zentrale Kapitel seiner Theologie darstellt; nur das letzte Kapitel der Biographie über das Lebensende und die Nachwirkung platziert er logischerweise am Schluß des Ganzen.
1. Der historische Boden (Tarsus): „Ein Mann dreier Kulturen“ (KaP 1)
In der ersten Ansprache behandelt der Papst, nach dem grundsätzlichen Wort zum Paulusjahr, den großen geschichtlichen Rahmen, die religiöse und kulturelle Umgebung, in der Paulus aufwächst und die, wie Benedikt betont, einen weitreichenden Einfluß auf sein Denken und Wirken hat. Diese Katechese ist stark historisch ausgerichtet, vor allem religions- und kulturgeschichtlich; sie charakterisiert Paulus als einen „Mann dreier Kulturen“: Religiös ist er ein Jude, verankert in der Tradition des Volkes Israel; aber in seiner Heimatstadt Tarsus, in der Diaspora, prägt ihn gesellschaftlich die griechisch-hellenistische Kultur mit ihrer Sprache und ihrem philosophischen Gedankengut. Politisch und wirtschaftlich aber ist das noch einmal eingebettet in das riesenhafte Römische Reich, das ihn zwar mit seinem Bürgerrecht ausstattet, aber auch sein Leben gewaltsam beenden wird.
Alle drei Bereiche bilden den Boden für die christliche Mission; und Paulus hat durch seine Zugehörigkeit zu allen dreien optimale Voraussetzungen für sein späteres Wirken als Völkerapostel, der das Evangelium aus der palästinisch-ländlichen Heimat in die hellenistisch-römische Welt überführt und damit seine Globalisierung vorantreibt. Der Papst erinnert daran, daß der Impuls zu dieser universalen Öffnung von Christus ausgeht, der die Trennwände zwischen Juden und Heiden, Sklaven und Freien, Mann und Frau überwunden hat (wie es das Motto des Symposiums sagt); aber die natürliche Herkunft des Paulus befähigt ihn wie keinen anderen Apostel, den Auftrag Christi geschichtsträchtig für das ganze Abendland ins Werk zu setzen. So zeigt Benedikt an der Gestalt des Paulus das Zusammenspiel von Erde und Himmel, von Geschichte und Glaube, die innige Paarung von Natur und Gnade, und damit auch die Verbindung von Kirche und Welt, ihre gegenseitige „Anschlußfähikeit“, wie man heute gerne sagt. Mit der ersten Pauluskatechese stellt der Papst diesen Anschluß her. Es ist für mich eine Fehleinschätzung, wenn er mit seiner Theologie und seiner Verkündigung als „weltfremd“ betrachtet wird.
Die Gestalt des Paulus ist mit dem kulturellen Umfeld verbunden, aber gleichzeitig davon abgesetzt. Was sich in dieser Hinsicht an Paulus zeigt, ist „zugleich Teilnahme und Originalität“ (KaP 1,4). Diese Formel Benedikts entspricht dem Titel eines Buches von Hans-Josef Klauck: „Anknüpfung und Widerspruch“; es geht darin um „Das frühe Christentum in der multireligiösen Welt der Antike“2. Mit der Zuordnung des Paulus zum kulturellen Umfeld ist also der Papst ganz auf der Höhe und auf der Linie gegenwärtiger Exegese.
2. Die Person: Leben und Wirken (KaP 2-7)
Nachdem der Papst den historischen Boden abgesteckt und die Umwelt des Paulus beschrieben hat, richtet er den Blick in den nächsten sechs Katechesen (KaP 2-7) auf die Person selbst und ihre Biographie.
a) Verfolger und Verkünder: Der Lebenslauf im Überblick (KaP 2)
Die Katechese 2 gibt einen Gesamtüberblick über das Leben, von der Geburt um das Jahr 8 in Tarsus, der geistig, wirtschaftlich und politisch bedeutenden Provinzhauptstadt, bis zur Gefangenschaft in Rom, der letzten biographischen Information im Neuen Testament. Der große Markstein auf dieser Lebensbahn ist die Bekehrung vor Damaskus. Sie teilt das Leben des Paulus in „Davor“ und „Danach“: Bis dahin ist er ein tieffrommer Jude, der den hebräischen Erstnamen Saulus trägt und als Jugendlicher zum Studium der Thora, des mosaischen Gesetzes, nach Jerusalem kommt; ein Eiferer für das jüdische Gesetz, der in der jungen Jesusbewegung, die er in Jerusalem kennenlernt, nur eine Bedrohung für das kostbare Erbe der Väter sehen kann, so daß er die Kirche verfolgt und zu vernichten sucht – bis zur schlagartigen Wende. Von da an ist er ein ebenso glühender Eiferer für das Evangelium und wird als dessen Verkünder zum Völkerapostel.
Beide Lebensabschnitte füllt Benedikt mit detaillierten Informationen an, übrigens nicht ohne leisen Humor und pikante Details: So erwähnt er nebenbei, daß Tarsus im Jahr 41 vor Christus der Schauplatz der ersten Begegnung zwischen Antonius und Kleopatra war. Damit illustriert er den weltoffenen Horizont, der den großen Sohn dieser Stadt, Paulus, von vornherein zum interkulturellen Austausch fähig und „zur wahren Universalität bereit“ macht (KaP 2,2).
Das apostolische Wirken des Paulus nach der Berufung beschreibt der Papst anhand der Apostelgeschichte, also mit dem Schema der drei Missionsreisen, die von Antiochien ausgehen und zu denen als vierte die Überführung des Häftlings nach Rom hinzukommt. Die Skizze der großen, strapaziösen Reisen endet mit dem Fazit, daß Paulus „sich der Verkündigung des Evangeliums gewidmet hat, ohne seine Kräfte zu schonen“, und daß er dabei schwere Prüfungen auf sich nahm, wie er sie in 2 Kor 11,21-28 aufzählt. Der Papst fordert seine Hörer, heute uns, abschließend auf, die Leidenschaft des Paulus für das Evangelium zu sehen „und so die Größe, die Schönheit und die tiefe Notwendigkeit des Evangeliums für uns alle zu erkennen“ (KaP 2,5).
b) „Von Christus ergriffen“: Das Damaskuserlebnis (KaP 3)
Woher nimmt Paulus die Kraft zu seinem aufreibenden Einsatz? Das wird in der zweiten Ansprache noch angetippt und in der dritten, die das Damaskuserlebnis behandelt, ausgeführt. Die unermüdliche Kraft kommt nicht aus Paulus selbst, sondern aus einer anderen, unerschöpflichen Quelle: aus der Begegnung mit Christus, die ihm vor Damaskus unerwartet, geradezu überfallartig, widerfährt und seinen Lebenslauf grundlegend ändert. Benedikt bespricht dazu, durchaus fachexegetisch, die zwei Arten von Quellen über das Ereignis, einerseits die ausführlichen Erzählungen der Apostelgeschichte (Apg 9; 22; 26), andererseits die kurzen Eigenaussagen in den Paulusbriefen, und er arbeitet heraus, daß sie im Kern voll übereinstimmen: Der auferstandene Christus begegnet dem Paulus und verwandelt sein Denken und Leben; er beruft ihn zum Zeugen der Auferstehung und zum Apostel, „mit dem besonderen Auftrag, das Evangelium den Heiden der griechisch-römischen Welt zu verkünden“ (KaP 3,3).
Im Philipperbrief sagt Paulus, daß er „von Christus ergriffen wurde“ (Phil 3,12), ähnlich wie jemand von der Staatsmacht, von einem Feind „ergriffen“, verhaftet, „gefaßt“, überwältigt wird. Er ist nicht mehr sein eigener Herr: „Nicht mehr ich lebe, Christus lebt in mir“ (Gal 2,20). Der Papst spürt und benennt die Einwände und Verdachtsmomente, die sich gegen eine solche fast gewalttätig wirkende (Macht-)“Ergreifung“ erheben. Ich zitiere wörtlich einige Sätze aus dem Schlußteil dieser Ansprache: „Dennoch dürfen wir nicht denken, Paulus sei auf diese Weise in ein blindes Geschehen eingeschlossen worden. Wahr ist das Gegenteil, weil der auferstandene Christus das Licht der Wahrheit … ist. Das hat sein Herz geweitet, es offen für alle gemacht. In diesem Augenblick hat er nichts von all dem verloren, was es an Gutem und Wahrem in seinem Leben, in seinem Erbe gegeben hat, sondern er hat auf neue Weise … die Wahrheit … des Gesetzes und der Propheten verstanden und hat sich diese auf neue Weise wieder angeeignet. Gleichzeitig hat sich seine Vernunft der Weisheit der Heiden geöffnet; da er sich mit ganzem Herzen Christus geöffnet hatte, ist er zu einem umfassenden Dialog mit allen fähig geworden, fähig, allen alles zu werden“ (KaP 3,3).
Der Papst bleibt aber nicht bei Paulus stehen, sondern geht über eine bloße Auslegung nach den Regeln der Exegese hinaus und zieht brisante Konsequenzen für uns: „daß auch für uns das Christentum keine neue Philosophie oder eine neue Moral ist. Wir sind nur dann Christen, wenn wir Christus begegnen. Gewiß zeigt er sich uns nicht auf diese unwiderstehliche, leuchtende Art, wie er es mit Paulus getan hat … Aber auch wir können Christus begegnen, in der Lektüre der Heiligen Schrift, im Gebet, im liturgischen Leben der Kirche. Wir können das Herz Christi berühren und spüren, daß er unser Herz berührt. Erst in dieser persönlichen Beziehung mit Christus … werden wir wirklich Christen. Und so öffnet sich unsere Vernunft, es öffnet sich uns die ganze Weisheit Christi und der ganze Reichtum der Wahrheit“.
c) „Der geringste Apostel“:
Verhältnis zu den Zwölf (besonders Petrus) (KaP 4-6)
Im Damaskuserlebnis wird Paulus nicht nur ein Anhänger Jesu Christi, sondern auch ein „berufener Apostel“ (vgl. Röm 1,1; 1 Kor 1,1). Normalerweise bezeichnet man mit diesem Titel nur jene zwölf Jünger, die von Anfang an bei Jesus waren, die er als Weggefährten erwählt und als erste mit der Verkündigung beauftragt hatte, denen er am Ostertag (sowie acht Tage darauf, „das ist heute“) erschienen ist und am Pfingsttag den Heiligen Geist gesandt hat. Bei all dem war Paulus nicht dabei; er gehört nicht zu den zwölf Aposteln. Andererseits ist er aber doch ein Apostel, und zwar so sehr, daß er mit Petrus zusammen sogar zum Apostel-Fürsten geworden ist. So bleibt eine logische Spannung, die aber in einem größeren Horizont die souveränen Wege Gottes und das besondere Wesen der Kirche ans Licht bringt.
Papst Benedikt verwendet drei Audienzen darauf, das Apostelamt des Paulus zu erläutern (KaP 4-6); zuerst das apostolische Selbstverständnis des Paulus (KaP 4), dann sein Verhältnis zu den übrigen Aposteln (KaP 5) und dazu (in KaP 6) zwei spezielle Momente im Verhältnis zu Petrus, nämlich das sogenannte Konzil in Jerusalem und der Zwischenfall in Antiochien.
(1) Daß Paulus den Unterschied zwischen den zwölf Erst-Aposteln und sich selber deutlich sieht und anerkennt, zeigen mehrere Stellen. So spricht er in Gal 1,17 von denen, „die vor ihm Apostel waren“, und in der Reihe der Osterzeugen nennt er sich ausdrücklich den „allerletzten“ (éschaton pántōn) und eine „Mißgeburt“ (1 Kor 15,8). Trotzdem weiß er und ist sich gewiß, selber ebenfalls ein Apostel in vollem Sinn zu sein. Es gibt also in der Urkirche zwei Sichtweisen oder Definitionen des Apostels, die man als die lukanische und die paulinische bezeichnen kann.
Benedikt nennt, gut exegetisch, drei Hauptmerkmale, die nach Paulus den Apostel ausmachen (vgl. KaP 4,2f). Das erste ist, daß er „den Herrn gesehen“ (1 Kor 9,1), also eine Erscheinung des Auferstandenen erfahren hat. Das zweite Merkmal ist im Fremdwort „Apostel“ sprachlich fixiert, das von apostéllō, absenden, aussenden stammt. Der Apostel hat eine Sendung oder Beauftragung. Er kann sich also nicht selbst zu diesem Amt entschließen oder es „ergreifen“, wie man einen Beruf ergreift, sondern wird von einem anderen „gesandt“, der sein Aufftraggeber bleibt. Das heißt aber nicht, daß er persönlich am Apostolat unbeteiligt ist. Das dritte Merkmal des Apostels ist deshalb seine eigene Tätigkeit, und zwar die Verkündigung des Evangeliums und damit verbunden die Gründung von kirchlichen Ortsgemeinden.
Zweifellos sind die genannten drei Merkmale des Apostels bei Paulus vorhanden, und beim dritten kann er sogar einen Vorsprung vor anderen beanspruchen (1 Kor 15,10): „Mehr als alle habe ich mich abgemüht“, jedoch mit einer Korrektur: „nicht ich, sondern die Gnade Gottes zusammen mit mir“. In der Person des Paulus vereinigt sich die tiefste Demut mit dem höchsten apostolischen Selbstbewußtsein; denn, so Benedikt wörtlich, „in ihm zeigt sich die Fruchtbarkeit der Gnade Gottes, die … einen mißlungenen Menschen in einen großartigen Apostel zu verwandeln vermag“ (KaP 4,2). So wird Paulus in seinem Aposteldienst, wie Benedikt mit dem Kirchenvater Chrysostomus sagt, zu einer „diamantenen Seele“ und zum „geistlichen Feuer“ (KaP 4,3), das im Umgang mit den Menschen, mit Bereitwilligen und Verstockten, immer stärker wird und ihn selber zugleich verzehrt.
(2) Aus der fünften Katechese, die das Verhältnis des Paulus zu den anderen Aposteln näher beleuchtet, bringe ich nur einen Hauptgedanken. Da Paulus den irdischen Jesus nicht gekannt und seine Lehre nicht gehört hat, ist er auf die Berichte der Zwölfer-Apostel und der übrigen Jesusjünger angewiesen. Diese urapostolische Tradition, die Paulus nicht selber geschaffen, sondern als vorhandene übernommen hat, ist für die Kirche durch alle Zeiten grundlegend und steht unverrückbar fest.
Welche Bedeutung dieses ihm selbst schon vorgegebene „Ur-Evangelium“ für Paulus hat, zeigen z. B. die zwei Zentralstellen über das Abendmahl und die Osterbotschaft im 1. Korintherbrief, die er ausdrücklich mit Traditionsformeln einleitet: „Als erstes habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen (oder übernommen) habe“ (hò kaì parélabon; quod et accepi; 1 Kor 15,3; vgl. 11,23).
Mit deutlichen Worten betont Benedikt deswegen (ich zitiere), „wie abwegig die Meinung derer ist, die Paulus die Erfindung des Christentums zuschreiben“ (KaP 5,4). Die Fachtheologen wissen, daß diese Kritik auf die liberale protestantische Exegese um Adolf von Harnack zielt, die in unseren Tagen Gerd Lüdemann wieder auferweckt und noch radikalisiert hat, etwa mit dem Buch „Paulus, der Gründer des Christentums“3. Das Christentum, und mit ihm die Kirche, war aber in Wirklichkeit vor Paulus da; und er bindet sich an die Tradition derer, die vor ihm Apostel waren.
Dabei spielt Petrus, den Paulus mit dem hebräischen Ehrennamen Kephas bezeichnet, eine hervorragende Rolle; das zeigt etwa die erste Jerusalemreise des bekehrten Paulus, die nach Gal 1,18 dem einen Zweck diente, „Kephas kennenzulernen“ (historēsai Kēphãn; das Verbum bedeutet übrigens auch fragen, sich erkundigen4).
(3) Die Verehrung und Anerkennung, die Paulus den Zwölf und besonders Petrus entgegenbringt, schließt nicht aus, daß es auch Differenzen und Konflikte gab. Zwei Paradefälle, die Benedikt in der sechsten Katechese bespricht, sind das sog. Apostelkonzil in Jerusalem und der Zwischenfall in Antiochia. In beiden Fällen ging es um die heftig umstrittene Frage, ob auch die „Heidenchristen“, die also nicht als Juden, sondern aus dem Heidentum zum Christusglauben kommen, das Gesetz des Moses vollständig einhalten müssen, mit allen Praktiken, welche die Juden von der heidnischen Gesellschaft abgrenzen; das sind vor allem die Beschneidung, die Speiseregeln (reine und unreine Speisen) und das Halten von Sabbatvorschriften.
Die zwei Episoden über diese Streitfrage zeigen die Hochachtung und gleichzeitig die Freiheit, mit der sich Paulus an die Apstel und speziell an Petrus wendet (vgl. KaP 6,2). Zusammen mit Barnabas legt Paulus sein Missionswerk in Jerusalem vor, und das Apostelkonzil in Jerusalem (vgl. Gal 2,1-10; Apg 15) gelangt in einem synodalen und spirituellen Prozeß zu der Klarheit, daß die heidenchristliche Mission des Paulus dem Evangelium entspricht, daß also die Heiden ohne Beschneidung und ohne das genannte jüdische Brauchtum in die christliche Kirche eintreten können. Diese „Freistellung“ bedeutet aber keine Zügellosigkeit oder Beliebigkeit, wie Benedikt mit Recht betont. Das bezeugt Paulus selbst mit einer Hilfsaktion, nämlich einer Geldsammlung, die er, vom Apostelkonzil angeregt, in den heidenchristlichen Gemeinden Griechenlands für die notleidenden Judenchristen der Mutterkirche in Jerusalem durchführt (die erste Misereor-Sammlung, könnte man sagen, gerade heute, am Misericordia-Sonntag). Diese Aktion des Teilens hat nicht nur eine soziale, sondern auch eine theologische Qualität: Sie bezeugt die Einheit der Kirche und die besondere Gestalt der christlichen Freiheit, die sich in der Liebe zu den Armen verwirklicht.
Bald nach dem Jerusalemkonzil kommt es jedoch in Antiochien zu dem berühmten Zwischenfall, bei dem Paulus dem Petrus „ins Angesicht widerstand“, wie er selbst formuliert (Gal 2,11). Petrus hatte dort eine Zeitlang mit den Heidenchristen Tischgemeinschaft gepflegt, gab sie aber dann aus Rücksicht auf eine Gruppe strenger Judenchristen auf und hielt sich wieder an die jüdischen Speisevorschriften, um diesen gesetzestreuen Judenchristen keinen Anstoß zu geben. Paulus kann das nicht akzeptieren. In seinen Augen läßt Petrus damit die alte Mauer zwischen Juden und Heiden wieder gelten, die mit Christus und dem Evangelium gefallen ist. Petrus dagegen verhält sich gerade deswegen so, weil er die gesetzestreuen Juden, die zum Christusglauben gefunden hatten, nicht verlieren und ihnen deshalb entgegenkommen möchte – ich setze hinzu: wie Benedikt XVI. den Piusbrüdern. Man könnte sagen (mit meinen Worten), daß Paulus hier messerscharf theologisch denkt und kämpft, während Petrus pastorale Rücksichten nimmt, aber mit der Rücksicht auf einer Seite anscheinend unvermeidlich einen Streit auf der anderen Seite in Kauf nehmen muß. Beide haben also ein berechtigtes Anliegen, und es geht ihnen bei ihrem gegensätzlichen Kurs nicht um Rechthaberei.
So wird das Ringen des Paulus, speziell die Zuspitzung in Antiochien, zu einer Lektion auch für uns: die christliche Freiheit nicht „abstrakt“ zu verstehen als Beliebigkeit und nach dem Motto „Jeder nach seiner Façon“, sondern als einen Suchprozeß, der seine „Orientierung im Glauben an Christus findet und sich im Dienst an den Brüdern konkret verwirklicht“ (KaP 6,4). Christliche Freiheit bedeutet nach Paulus (vgl. z. B. Gal 5,13), sich so zu verhalten, wie es die von Christus vorgelebte Liebe gebietet. Das ist ein anderes Verständnis der Freiheit, als es in der profanen Umwelt des Paulus üblich war und als es in unserer Gesellschaft verbreitet ist.
d) „Christus erkennen“: Das Verhältnis zum „historischen Jesus“ (KaP 7)
In der siebten Ansprache fragt der Papst, wie denn Paulus zum sogenannten „historischen Jesus“ steht. Er hat ihn offenbar nicht persönlich gesehen und gehört. Manche Exegeten meinen deshalb, daß Paulus vom „historischen Jesus“ soviel wie nichts weiß und auch gar nicht daran interessiert sei.
Benedikt betont demgegenüber, daß Paulus im Umgang mit den Erstaposteln selbstverständlich auch Einzelheiten aus dem Wirken Jesu erfahren hat, von seinen Worten und Taten bis hin zur Passion. Bei sorgfältigem Lesen erweisen sich die Paulusbriefe als „getreuer Widerschein“ der Person und Botschaft Jesu, allerdings verbunden mit einer „getreuen Umwandlung“ für die neue Situation (vgl. KaP 7,4.3).
Das führt zu einem weiteren Hauptgedanken, mit dem der Papst diese Katechese rahmt und zugleich zur Lehre des Paulus hinführt: Obwohl Paulus auf den „historischen Jesus“ Bezug nimmt und die große Überlieferung von seinem Leben und Wirken kennt, hat er kein wirklich „historisches“ Interesse an Jesus; das heißt: sein Interesse konzentriert sich nicht auf die Vergangenheit. In 2 Kor 5,16 unterscheidet Paulus zwei Arten, Jesus Christus zu kennen und einzuschätzen: „Wenn wir auch Christus dem Fleisch nach gekannt haben, jetzt kennen wir ihn nicht mehr so“. „Dem Fleisch nach kennen“ bedeutet ein nur äußeres, oberflächliches Kennen, das die Tiefe und das Wesen der Person nicht erreicht. So hat Paulus die Person Jesu Christi früher eingeschätzt. Im Damaskuserlebnis aber wurde ihm der Star gestochen und der Blick vergeistigt: Jesus ist für ihn nicht mehr „eine Gestalt der Geschichte“, das heißt der Vergangenheit, sondern er wird ihm zur lebendigen, gegenwärtigen „Bezugsperson“.
Was der Papst hier über die Christuserkenntnis des hl. Paulus sagt, ist zugleich eine mahnende Lektion, um nicht zu sagen: eine Standpauke für uns Exegeten, für mich als Exegeten, und speziell für die historische Jesusforschung. Paulus mahnt uns, daß wir Jesus nicht „dem Fleisch nach“ erkennen und erforschen, ihn nicht in der Vergangenheit belassen und am Ende auch noch anderen den lebendigen Umgang mit ihm versperren. Aber diese Gefahr, Jesus nur „dem Fleische nach“ zu kennen, droht nicht nur uns Exegeten, sondern allen; und Paulus kann uns zur wahren Christuserkenntnis verhelfen, wie es auch Benedikt anstrebt: „Jesus lebt jetzt und spricht jetzt mit uns … Das ist die wahre Art und Weise, Jesus zu kennen und die Überlieferung über ihn anzunehmen. Auch wir müssen lernen, Jesus nicht nach dem Fleisch zu kennen, als eine Person der Vergangenheit, sondern als unseren Herrn und Bruder, der heute mit uns ist und uns zeigt, wie wir leben und sterben sollen“ (KaP 7,4).
Hier kommt auch das eigentliche Ziel in den Blick, zu dem uns der Umgang mit Paulus und das derzeitige Jubiläumsjahr führen soll, zu dem auch die päpstlichen Pauluskatechesen Wegweiser sind. Wer sich mit Paulus einläßt, muß sich auf Jesus Christus einlassen. Der Weg zu Paulus und mit ihm, wie übrigens der Umgang mit jedem Heiligen, führt, wenn wir uns nicht verweigern, weiter zu Christus und zur Weggemeinschaft mit ihm.
3. Die Lehre: Hauptthemen der Theologie (KaP 8-19)
Ein zentrales Kapitel im großen Paulusbuch von Joachim Gnilka lautet „Paulus, der Theologe“5. So könnte man auch die Pauluskatechesen 8-19 von Papst Benedikt überschreiben. Sie bieten eine Kurzfassung der paulinischen Theologie, der Hauptthemen seiner „Lehre“. Die Theologie ist aber eng mit der Biographie verschmolzen, so daß einiges davon bereits in den mehr historisch-biographischen Katechesen angeklungen ist. Auch untereinander sind die theologischen Themen vielfältig vernetzt und bilden im Grunde ein Ganzes. Weil unser Geist aber, ähnlich wie die Hand und der Mund, das Ganze nicht auf einmal, sondern nur in kleinen Portionen, nach und nach, erfassen kann, müssen wir (und muß der Papst) auch die paulinische Theologie in Einzelthemen zerlegen. Ich kann in diesem Rahmen nur einen Überblick geben und einige Punkte herausheben.
Zur Grundorientierung könnte man die ganze paulinische Theologie, wie der Papst sie darstellt, auf ein Doppelthema zusammenfassen: Christus und die Kirche. Im Zweiten Korinther- und im Epheserbrief bilden die beiden ein Paar, das nicht nur thematisch, sondern auch personal verbunden ist: Die Kirche ist die Braut, und im Epheserbrief dann auch die Ehefrau, des Bräutigams und des Mannes Jesus Christus, der freilich zugleich das Haupt des Leibes und der Herr, der Kyrios, ist. Von den zwölf Katechesen zur paulinischen Theologie widmen sich fünf mehr der Kirche, nämlich die erste und die vier letzten (d. h. KaP 8 und 16-19); die sieben Katechesen dazwischen (also KaP 9 bis 15) stellen mehr Christus in den Vordergrund.
a) Ekklesiologie: Zur Gemeinschaft der Kirche gerufen (KaP 8)
Vielleicht überrascht es ein wenig (so ist es jedenfalls mir gegangen), daß Benedikt die Themenreihe nicht mit Christus, sondern mit der Kirche eröffnet (KaP 8). Aber von der menschlichen Erfahrung aus ist das logisch und richtig; denn biographisch gesehen ist die Kirche normalerweise vor Christus da, weil uns glaubende Menschen, also Kirchenmitglieder zu Christus und zum Christsein führen. Auch Paulus hat das Christentum zunächst durch die Kirche, nämlich durch die Urgemeinde in Jerusalem kennengelernt. Diese Begegnung mit der Kirche war für Paulus zunächst kontraproduktiv; eine Provokation, die ihn empört hat. Bis heute ergeht es vielen so ähnlich mit der Kirche, und in der jüngsten Zeit gerade mit ihrem obersten Vertreter. Bei Paulus hat es einige Zeit gedauert, und es hat einen regelrechten Zusammenbruch gebraucht, bis sich die Aggression gelegt und ins Gegenteil verwandelt hat: in eine glühende Kirchenliebe, die nichts anderes ist als die irdische, die soziale Gestalt der Christusliebe. Die Kirche ist von Christus nicht zu trennen; sie bildet mit ihm eine Einheit wie der Leib mit seinem Haupt und seinen Gliedern; eine „Subjekteinheit“, sagt der Theologe Joseph Ratzinger in seinem Kirchenbuch „Zur Gemeinschaft gerufen“6, und verweist dazu auf die Titelstelle des heutigen Symposiums, Gal 3,28, wo Paulus sagt: „Ihr alle seid einer in Christus“ – nicht nur neutral „einig“ oder „eins“, wie sogar die Neue Zürcher Bibel jetzt, feministisch eingeschüchtert, übersetzt, sondern „einer“ (heĩs, unus). In der Pauluskatechese zur Kirche nennt er die Stelle nicht direkt (wenn ich sie nicht übersehen habe), entfaltet aber den Gedanken mit dem original paulinischen Bild von der Kirche als Leib Christi (vgl. KaP 8,3f) und spricht dabei von einer „lebendigen“ und von einer „mystischen Einheit“, in der sich „das bräutliche Geheimnis“ verwirklicht, am tiefsten im Sakrament der Eucharistie.
In diesem Zusammenhang hebt der Papst, auch mit Hilfe der schon genannten Bilder, ein Grundmerkmal der Kirche nachdrücklich hervor, das in der Gegenwart zu wenig gesehen wird: Die Kirche ist keine „einfache Zusammenkunft“, keine „menschliche Vereinigung“, die aus gemeinsamen Ideen oder Interessen entsteht (vgl. KaP 8,2), sondern „eine Gemeinschaft, die von außen – ab extra – von Gott berufen wird. … Bei aller Sorge um die von ihm gegründeten Gemeinden weiß Paulus darum, daß die Kirche nicht sein Werk ist“ (KaP 8,1). Wir Menschen „machen“ die Kirche nicht und können sie darum auch nicht nach unserem Geschmack und nach dem Muster eines Vereins gestalten. Wir gehören zu ihr als Glieder und „berufene Heilige“, herausgerufen aus der allgemeinen, naturhaften Massenexistenz und einberufen in die Versammlung Gottes, zum Ort seiner Gegenwart in der Welt.
b) Christologie: Der Weg Jesu und unser Weg (KaP 9-12)
Anders als im biographischen Ablauf, wo man normalerweise durch die Kirche zu Christus gelangt, steht in der theologischen Ordnung Christus über und vor der Kirche. Sie ist aus ihm, aus seinem Wort und Werk, hervorgegangen; von ihm wird sie getragen, von seinem Geist geleitet und geführt. Für Paulus persönlich ist Jesus Christus seit der Begegnung vor Damaskus das Lebenszentrum; er ist, mit Benedikts Worten, „das Maß für die Bewertung von Ereignissen und Sachverhalten, das Ziel jeder Anstrengung“ in seinem Aposteldienst, „die große Leidenschaft, die seine Schritte auf den Straßen der Welt voranbringt“ (KaP 9,2). Weil Christus das Herz des Paulus erfüllt, ist er auch der grundlegende und alles bestimmende Inhalt seiner Verkündigung. Das Evangelium ist nichts anderes als Christusverkündigung, und zwar, nach 1 Kor 15,3-5, in ihrem Kern das Zeugnis von Tod und Auferweckung Jesu, dem Zentralereignis der Weltgeschichte in der Sicht des Glaubens.
Christus ist aber seinen Weg nicht für sich, sondern für uns gegangen; wir sind darin einbezogen, sind zunächst unverdient beschenkt, dann aber auch, infolge dessen, beansprucht und aufgerufen. Das hebt Benedikt in jeder Katechese hervor und zeigt es an Paulus und seinen Erfahrungen. Paulus lehrt uns, daß wir in einer „Zwischenzeit“ leben, in welcher die durch Kreuz und Auferstehung Christi bereits bewirkte Erlösung noch der vollen Verwirklichung entgegengeht. Die von Christus eröffnete Zukunft hat aber bereits begonnen, weil wir als Gläubige in der Gemeinschaft der Kirche bereits jetzt mit dem Herrn verbunden sind.
c) Rechtfertigungslehre: Der Glaube und die Werke (KaP 13-14)
Die folgenden sieben Katechesen (13-19) können wir so verstehen, daß sie das grundlegende Doppelthema Christus und die Kirche nach mehreren Richtungen entfalten. – Zwei Ansprachen (Nr. 13 und 14) verwendet Benedikt auf die sogenannte Rechtfertigungslehre des Paulus, in der es um die Frage geht, wie wir als unvollkommene, schwache, schuldverstrickte, beschädigte Menschen mit Gott und der Welt, mit uns selbst und anderen „ins Reine kommen“, so daß wir „in Ordnung“ sind und uns nicht verstecken, schämen und quälen müssen.
Paulus hat an sich selbst erfahren, daß diesen Zustand der Aussöhnung, den er „Gerechtigkeit“ nennt, kein menschliches Tun herbeiführen kann, kein frommes Werk und keine noch so treue Gesetz-Erfüllung. Der Mensch kann sich nicht selbst ins Lot bringen, sondern die Rechtfertigung nur als Geschenk entgegennehmen. Sie wird von Gott aus reiner Gnade denen geschenkt, die an Jesus Christus glauben und sich ganz auf ihn verlassen.
d) Soteriologie: Adam und Christus – Erbsünde und Erlösung (KaP 15)
Die 15. Ansprache verbindet die Rechtfertigungslehre und zugleich die Christologie noch enger mit der Anthropologie (der „Menschenkunde“), nämlich mit der dunklen Seite unserer menschlichen Erfahrung, und zwar durch die paulinische Gegenüberstellung von Adam und Christus (vgl. besonders Röm 5,12-21). Wir sind als Adamskinder und Christen eingespannt „zwischen der Erbsünde und der Freiheit, die uns durch die Gnade geschenkt ist“ (KaP 15,1). Der biblisch-christliche Glaube allein kann erkennen, daß der Mensch heilbar und daß er schon geheilt ist, weil Gott in Christus „persönlich die Geschichte betreten“ und „(d)er ständigen Quelle des Bösen … einen Quell reiner Güte entgegengesetzt“ hat (KaP 15,4). Und weiter: „Der gekreuzigte und auferstandene Christus, der neue Adam stellt dem schmutzigen Fluss des Bösen einen Fluss des Lichts entgegen“, der in der Geschichte gegenwärtig ist, in den großen Heiligen, aber auch in den demütigen, einfachen Gläubigen.
e) Sakramente und Gottesdienst:
„Wie die Erlösung zu uns gelangt“ (KaP 16-17)
Im nächsten Schritt stellt der Papst folgerichtig die Frage, „wie die Erlösung zu uns gelangt“ (Kap 16,1), und als Antwort präsentiert er zwei Ansprachen über die paulinische Sakramenten- und Kult-Theologie (KaP 16-17).
Der neue Anfang, den Jesus Christus in die Geschichte bringt, kommt theologisch gesehen durch den Heiligen Geist zu uns; denn Christus wohnt auf geistliche Art, durch eine spirituelle Gemeinschaft, in den Herzen der Gläubigen. Der biologische Anfang der Menschheit wird so überboten durch einen pneumatologischen, geistlichen Neuanfang. Er geschieht aber nicht nur unsichtbar, rein innerlich in der Herzenskammer des einzelnen. Der Geist Jesu Christi bedient sich vielmehr auch sinnenfälliger Mittel, die unserer Menschennatur entsprechen. Es sind nach Paulus und dem ganzen Neuen Testament vor allem zwei, die untrennbar zusammengehören, nämlich das Wort der Verkündigung und die Sakramente, bei Paulus besonders die Taufe und die Eucharistie, die Benedikt anhand von Röm 6 und 1 Kor 11 eingehend und eindringlich bespricht.
f) Theologische Weiterentwicklung: Kol und Eph; Pastoralbriefe (KaP 18-19)
Die Katechesen 18 und 19 fallen ein wenig aus der Reihe, weil sie nicht direkt auf theologische Themen, sondern vorrangig auf bestimmte Briefe bezogen sind: Nr. 18 auf den Kolosser- und den Epheserbrief, Nr. 19 auf die sog. Pastoralbriefe (also 1/2 Tim und Tit). Alle fünf haben gemeinsam, daß sie aus einer späteren Zeit stammen als die übrigen Paulusbriefe. Dieser Zeitabstand bringt aber auch theologische Verschiebungen mit sich, die Benedikt aufzeigen will; und so passen die Sonderkatechesen zu dieser Briefgruppe durchaus in die Darstellung der Lehre des Paulus. Die spät- und nachpaulinischen Briefe dokumentieren, wie die paulinische Theologie im Lauf der Zeit sozusagen weiterwächst, wie sie fortgeschrieben und situationsbezogen weiterentwickelt wird.
(1) Die zwei Briefe an die Kolosser und an die Epheser kann man, wie der Papst anschaulich sagt, „gewissermaßen als ‚Zwillinge’ betrachten“ (KaP 18,2), sprachlich und theologisch. Von den Wörtern des Kolosserbriefs stehen mehr als ein Drittel auch im Eph; und manche Ausdrucksweisen und theologischen Aussagen finden sich nur in diesem Briefpaar. So bekommt Christus nur hier den vielsagenden Hoheitstitel „Haupt“ (kephalé), der somit die „Hauptsache“ der paulinischen Theologie höchst lebendig zur Sprache bringt. Und zwar ist Christus nicht nur das Haupt der Kirche (vgl. Kol 1,18; 2,18f; Eph 4,15f), sondern nach Kol und Eph auch das Haupt der kosmischen Mächte und des ganzen Kosmos, „hoch über allen Fürsten und Gewalten, Mächten und Herrschaften“, heißt es in Eph 1,21 (vgl. Kol 2,15). Diese Sicht hat weitreichende Folgen, weil es um die Machtfrage geht, und der Papst weiß das und spricht es an: Weil Christus „jeglicher Form der Macht überlegen ist“, müssen wir, wenn wir mit ihm vereint sind und uns fest an ihn halten, „keinen Feind und keine Widrigkeit fürchten“ (KaP 18,3). Das bezeugt Paulus selbst wie ein Leuchtturm, und in seiner Spur die Blutzeugen der Kirche bis heute; in der Generation unserer Eltern besonders die Märtyrer des Widerstandes. Ich nenne nur Alfred Delp, Franz Reinisch und den seligen einfachen Landwirt, Familienvater und Mesner aus der nahen Umgebung, Franz Jägerstätter von St. Radegund.
(2) Die drei Pastoralbriefe an Timotheus und Titus spiegeln eine weiter fortgeschrittene Entwicklung und Verfassung der christlichen Kirche. Deshalb nimmt Benedikt mit der Mehrheit der Exegeten an, daß sie nicht von Paulus selbst, sondern aus der „Paulus-Schule“ stammen, die sein Erbe für eine neue Generation in einer situationsgerechten Fassung bewahrt. Die Kirche befindet sich nach dem Wegsterben der apostolischen Generation in einem krisenhaften Umbruch. Die Hauptgefahr geht von aufsprießenden und wuchernden neuen Lehren aus, die der Verfasser in 1 Tim 6,20 falsch und gottlos nennt und mit dem Begriff „Gnosis“ („Erkenntnis“) zusammenfaßt. So wird die Frage akut, was in diesem Wirrwarr Bestand verleiht; und Benedikt stellt die Kernaussagen der Pastoralbriefe zu dieser Frage dar. (Ich zitiere:) „Die Gemeinde kann in stürmischen Zeiten der Verwirrung nur durch ein weises Verständnis der Schrift und durch die Bewahrung des anvertrauten Glaubensguts bestehen; denn beides verankert sie in dem Fundament, das Gott durch die Offenbarung seiner Liebe in Christus gelegt hat“ (KaP 19,1).
Die Verantwortung für die angesprochenen Aufgaben liegt vorrangig bei den Hirten der Kirche (pastores, darum Pastoralbriefe). Deshalb tritt die Amtsstruktur der Kirche in diesen Briefen stark in den Vordergrund. Wir finden hier erstmals deutlich das dreistufige Amt mit Bischöfen, Priestern und Diakonen (vgl. 1 Tim 3,1-17; Tit 1,6f; 1 Tim 5,17-20; 1 Tim 3,8-13).
Benedikt richtet das Augenmerk speziell auf das Bischofsamt und erkennt als Hauptanforderung an den Bischof in den Pastoralbriefen „das Festhalten an der Lehre und die Fähigkeit, andere im Glauben zu unterweisen“ (KaP 19,1). Wenn man die Kirche mit diesen Briefen als Haus und Familie Gottes betrachtet, ist der Bischof (Zitat) „gleichsam der Vater der Gemeinde, der in väterlicher Güte und zugleich mit der väterlichen Stärke für Gottes Kinder sorgen muß“ (KaP 19,1). Das ist übrigens original paulinisch; denn Paulus bezeichnet sich in 1 Kor 4,15 ausdrücklich als Vater der korinthischen Gemeinde. Zugleich können wir indirekt erkennen, wie Benedikt XVI. sein eigenes Leitungsamt versteht.
4. Lebensende und Nachwirkung (Tre Fontane): „Aus ihm schöpfen“ (KaP 20)
Die zwanzigste und letzte Ansprache der ganzen Reihe greift wieder auf den biographischen Faden zurück, zieht ihn durch bis zum Lebensende des Paulus und verknüpft ihn mit der Nachwirkung seiner Gestalt.
Der Tod des Apostels wird im Neuen Testament nur angedeutet, besonders in 2 Tim 4,6: „Denn ich werde nunmehr geopfert, und die Zeit meines Aufbruchs ist nahe“ (vgl. auch Apg 20,23-25). Die Apostelgeschichte erzählt immerhin von seinem Weg nach Rom; und die nachneutestamentlichen Quellen berichten einhellig, daß er dort den Märtyrertod erlitten hat.
Ein bemerkenswerter Zug der Quellen ist der, daß die meisten das Martyrium des Paulus neben das des Petrus stellen und die beiden Apostel als die gemeinsamen Gründer der Kirche von Rom betrachten. Manche Kirchenväter werten das als eine Neugründung Roms, so daß Petrus und Paulus an die Stelle von Romulus und Remus treten und sie christlich überbieten7.
Das Martyrium des Paulus lokalisiert die Legende in Tre Fontane an der Via Laurentina; und der Ort seiner Bestattung ist nach älterer Überlieferung das Gut der Lucina, außerhalb der Stadt an der Via Ostiense, wo seit Konstantin eine Basilika steht: „St. Paul vor den Mauern“.
Wie die Gestalt des Paulus in ihrer Größe auch nach dem Tod weiterleuchtet und sein geistiges Erbe vielfältig, bis hin zum Widerspruch, fortwirkt, zeigt der Papst dann noch mit einem weitgreifenden Gang durch die Geschichte (KaP 20,4f). Er beginnt bei den judenchristlichen Ebioniten, die Paulus als Apostaten betrachten, als einen Abtrünnigen gegenüber dem mosaischen Gesetz. Aber es überwiegt doch die Verehrung des heiligen Paulus, die bereits in der Apostelgeschichte einsetzt. Seine Briefe gehen in die kirchliche Liturgie ein und werden so „zur geistlichen Nahrung für die Gläubigen aller Zeiten“.
Zum Abschluß der ganzen Reihe erinnert der Papst an einen originellen Vergleich, den der Kirchenvater Chrysostomus zwischen Paulus und Noach anstellt, und kommentiert ihn mit zwei Sätzen. Chrysostomus sagt, daß Paulus, statt einer Arche aus Brettern, Briefe aus Wörtern geschaffen und so nicht nur eine Familie, sondern „die gesamte Oikumene“ gerettet hat. Dazu Benedikt: „Gerade dies kann Paulus noch immer … bewirken. Aus ihm schöpfen, sowohl aus seinem apostolischen Vorbild als auch aus seiner Lehre, wird somit ein Antrieb, wenn nicht gar eine Garantie (sein) für die Festigung der christlichen Identität eines jeden von uns und für die Verjüngung der ganzen Kirche“ (KaP 20,5).
Paulus als eine Art „Jungbrunnen“, aus dem wir schöpfen können. Das führt uns noch einmal zurück zu seinem Martyrium. Was die Legende darüber erzählt, ist (mit Augustinus gesagt) erschreckend und wunderbar, und es hat dem Ort seinen Namen Tre Fontane (Drei Quellen) gegeben. Bei der Enthauptung des Paulus, so die Legende, ist sein Kopf dreimal auf den Boden aufgesprungen, und an den Aufschlag-Stellen sind drei Quellen entsprungen (Tre Fontane). Die Wahrheit dieser Legende ist offenkundig. Theodor Schnitzler hat sie so formuliert: „Das Haupt des Apostels und die Welt seiner Gedanken schlägt gewaltig auf die Erde – Quellen der Theologie und Weisheit strömen auf. Immer neu muß sich die Kirche bei den Quellen des Apostels ansiedeln“8. Damit sind wir beim abschließenden Teil:
III. Abschließende Würdigung
1. Ergiebige Quellen
Genau das, was Schnitzler anmahnt, tut Benedikt XVI. mit dem Paulusjahr im ganzen und mit seinen Audienzansprachen im besonderen. Er führt uns hin zu den Quellen des Apostels und siedelt sich selbst und die Kirche dort an. Aber noch mehr: Mit seinen Ansprachen erschließt er die Quellen auch, zapft sie sozusagen an und macht sie uns zugänglich. Er gibt ihnen eine Fassung und wird so (mit Verlaub gesagt) zu einem paulinischen „Brunnenmeier“ und „Beckenbauer“; ich würde sogar sagen: er wird selbst zu einem Becken und Brunnen, aus dem wir schöpfen und trinken können. Überhaupt gilt manches, was der Papst über den Völkerapostel sagt, in meinen Augen auch für Benedikt XVI., so daß die Grenzen zwischen den beiden in den Ansprachen teilweise fließend werden.
2. Exegese und mehr
Quellenstudium ist das A und O der exegetischen Arbeit. Wenn ein Exeget die Audienzansprachen des Papstes als Paulusbuch betrachtet und bespricht, muß er also vor allem auf den Umgang mit den Quellen schauen. Das sind für den Exegeten zuallererst die biblischen Schriften und für Paulus näherhin die paulinischen Briefe und die Apostelgeschichte.
a) Fundierte Fachexegese
Die Pauluskatechesen des Papstes zum Jubiläumsjahr bestätigen und vertiefen in meinen Augen das, was ich eingangs über Joseph Ratzinger als Exeget gesagt habe. Sie schöpfen aus den Hauptquellen der Paulusforschung und erschließen sie zum großen Teil auf bibelwissenschaftliche Art. Benedikt XVI. betreibt eine eigenständige, fundierte und reflektierte Bibelauslegung, die seine Theologie leitet und beseelt. Das schöne Wort des Konzils, daß das Studium der Heiligen Schrift „gleichsam die Seele der ganzen Theologie sein muß“ (OT 16; vgl. DV 24), könnte über Kardinal Frings auf den Konzilsberater Joseph Ratzinger zurückgehen. Der Papst arbeitet, auch in den Paulusansprachen, durchaus mit exegetischen Fachmethoden, z. B. Wortstatistik, Textanalyse, Religions- und Traditionsgeschichte, Textvergleich und anderem. Von dem, was die Paulusbücher der Exegeten enthalten, findet sich vieles auch in den Ansprachen des Papstes.
b) Abweichungen von der Hauptspur
Allerdings muß man auch feststellen, daß die Bibelauslegung, wie Benedikt XVI. sie betreibt (und Joseph Ratzinger seit jeher), nicht ganz in der Stromlinie, d. h. auf der historisch-kritischen Hauptspur der zeitgenössischen Exegese verläuft; und die Frage ist dann, wie man diese Abweichung als Exeget beurteilt. Dabei geht es mir weniger um fragwürdige Einzelheiten, die man mit der exegetischen Sonde in den Paulusansprachen ebenso entdeckt wie in jedem Werk, das man bespricht. Ob zum Beispiel die drei Missionsreisen des Paulus in der Apostelgeschichte den historischen Ablauf wiedergeben oder von Lukas in dieser Abfolge literarisch gestaltet wurden, ist in der Exegese umstritten. Benedikt spricht das Problem nicht an; und viele Exegeten würden wohl sagen, daß er die Apostelgeschichte zu „unkritisch“ verwendet. Ich sehe das jedoch nicht so, und zwar aus mehreren Gründen. Schon rein historisch betrachtet hat das Bild der Apostelgeschichte mehr Substanz, als man zeitweise meinte und zum Teil noch meint. Es ist fast amüsant zu beobachten, wie die Apostelgeschichte, die auf protestantischer Seite mitunter fast als Märchenbuch eingeschätzt wurde, inzwischen auch dort wieder historisches Vertrauen gewinnt. Der Papst tut also gut daran, die beiden neutestamentlichen Paulus-Quellen (Briefe und Apg) organisch zu verbinden.
Entgegen dem Anschein ist die Exegese des Papstes in keiner Weise naiv oder unkritisch. Als Präfekt der Glaubenskongregation war Kardinal Ratzinger auch Vorsitzender der Päpstlichen Bibelkommission und hat sich auf diesem Posten intensiv mit verschiedenen Ansätzen und Entwicklungen der Exegese befaßt. Er ist kein Feind der historisch-kritischen Methode, wie man ihm bisweilen vorwirft. (Auf der Bischofsynode im vergangenen Herbst hat er sie gegen fundmentalistische Angriffe entschieden verteidigt.) Wenn er die Hauptspur der Exegese dennoch teilweise verläßt, tut er es mit Bedacht. Immer schon liegt ihm daran, daß die Exegese nicht bei den historischen Vorgängen stehen- und steckenbleibt, weil sie dann für die Verkündigung unfruchtbar bleibt.
Dieses Anliegen bestmmt auch die Audienzansprachen. So richtet sich das Hauptinteresse des Papstes, anders als in den meisten Paulus-Büchern, nicht auf den sog. „historischen Paulus“, den die kritische Wissenschaft aus den Texten filtert, sondern auf den neutestamentlichen, also biblischen, man könnte auch sagen: auf den kanonischen oder kanonisierten Paulus. Der nur historisch erforschte Paulus bleibt nicht nur ein eine Gestalt der fernen Vergangenheit, sondern überdies auch eine vage, kaum faßbare Figur, weil sein Bild bei jedem Forscher andere Züge annimmt (ähnlich wie das Bild des „historischen Jesus“). Gegenüber diesem hypothetischen wissenschaftlichen Vexierbild hat der kirchlich-kanonische Paulus ein vergleichsweise klares und ansprechendes Gesicht.
Diesem kanonischen Paulus gebührt aber logischerweise nicht nur unser Forschungsinteresse, sondern auch unsere Verehrung. Mit diesem Stichwort hebt sich Benedikt von der fachexegetischen Paulusforschung deutlich ab. Ein kleines, aber markantes Signal dafür ist das Wort „heilig“. Während Benedikt sehr oft vom „heiligen Paulus“ spricht, ist diese Ausdrucksweise in der exegetischen Zunft nicht nur unüblich, sondern seit einigen Jahrzehnten auch katholischerseits (wie protestantisch seit langem) fast unmöglich, wenn man nicht als unwissenschaftlich gelten will. Die Papstansprachen werfen indirekt die Frage auf, wie sich „Verstehen“ und „Verehren“ zueinander verhalten; ob man Paulus (und andere biblische Figuren) mit einer distanzierten Haltung betrachten muß, um sie zu verstehen, oder ob man sie im Gegenteil erst dann tiefer vesteht, wenn man sie auch verehrt.
Damit ist auch noch ein anderes Problem berührt, das die katholische Exegese seit etwa hundert Jahren umtreibt (die protestantische schon seit der Aufklärung), nämlich das schwierige Verhältnis von Geschichte und Glaube in der Bibelwissenschaft; oder anders gesagt: von historischer und theologischer Exegese. Joseph Ratzinger hat sich mit dieser Frage jahrzehntelang intensiv und manchmal auch (wie man heute sagt) „streitig“ befaßt, unter anderem in seinem Jesusbuch vor zwei Jahren. In den Pauluskatechesen kommt das zwar nicht direkt zur Sprache, aber indirekt ist es fast allgegenwärtig; und Benedikts Grundoption, sein Gesamtverständnis von Exegese, zeigt sich in der ganzen Anlage der Reihe: Historische und theologische Exegese stehen bei ihm nicht im Widerspruch, auch nicht in Konkurrenz zueinander; sie bilden im Gegenteil sozusagen ein Paar, das nur gemeinsam den unerschöpflichen Reichtum der Bibel angemessen erschließen kann.
In den Audienzansprachen zum Paulusjahr bietet also Benedikt XVI. aus meiner Sicht eine fundierte Exegese – und zugleich mehr. Er führt uns über die Grenzen des Faches hinaus in den gesamttheologischen und in den kirchlichen, näherhin in den katholischen Großraum. Das ist, wie bei Paulus, auch biographisch mitbedingt, besonders durch Ratzingers theologischen und kirchenamtlichen Lebensweg: Es spricht eben nicht nur ein Exeget, sondern zugleich ein Dogmatiker; und es redet nicht nur der wissenschaftlich hochgelehrte Theologe Joseph Ratzinger, sondern zugleich der Priester und Bischof, und seit vier Jahren der Papst, Benedikt XVI., der oberste Hirte und Lehrer der Kirche. In diesem Amt hält er die Audienzansprachen. Deshalb wäre es unangemessen, ein einziges Fach – Exegese, Dogmatik oder sonst eines – zu ihrem obersten oder gar einzigen Maßstab zu erheben. Mit seiner Art der Bibelauslegung stellt sich Benedikt einmal mehr in den Dienst der Einheit und erweist sich als wahrer Pontifex (Brückenbauer): Er schlägt Brücken über tiefe Gräben; nicht nur von der Exegese zur Dogmatik, sondern auch zu anderen Fächern, nicht zuletzt zur Liturgie, die ihm seit langem am Herzen liegt. Von der Bibel her verbindet Ratzinger die theologischen Reviere und setzt so ein Gegengewicht zum Spezialistentum, das die Theologie allzuleicht in Einzelfächer zersplittert.
Die Art, wie Benedikt XVI. mit der Bibel umgeht, bereichert die Exegese. Das heißt nicht, daß alle exegetischen Arbeiten diesem Muster folgen müssen. Zur Fachexegese gehören mikroskopische Spezialuntersuchungen ebenso wie der wissenschaftliche Streit. Aber die Exegeten sollten sich nicht zu gut sein, sich an diesem Muster zu schulen. Benedikt praktiziert eine „ganzheitliche Schriftauslegung“, die den Text nicht nur historisch-kritisch und nicht nur exegetisch wahrnimmt, sondern fachübergreifend, im Fall der Paulusansprachen vor allem katechetisch und homiletisch (unterweisend und verkündigend).
3. Von Tarsus bis Tre Fontane: Die katechetische Spannweite
Der Papst selber bezeichnet seine Audienzansprachen als „Katechesen“, und er nennt auch die Paulusbriefe, speziell den Kolosser- und Epheserbrief, „eine große Katechese“ (vgl. KaP 18,5). Es würde zu weit führen, die Merkmale dieser Gattung näher zu erörtern. Vielleicht kann man aber sagen, daß die Katechese zwischen Exegese und Homilie (oder „Homilese“) steht; daß sie unterwegs ist vom Bibeltext und seiner Erklärung hin zur kirchlichen und liturgischen Predigt. Deshalb beginnen die Pauluskatechesen oft mit exegetischen Informationen und enden mit einem Gebetsanliegen, manchmal auch direkt mit einem Gebet. Es sind keine exegetischen Vorlesungen und keine eigentlichen Predigten, obwohl sie von beidem etwas haben. Die Katechesen sind eine Form der Unterweisung, die eine große Spannweite hat.
Diesen Spannungsbogen soll der Titel des Vortrags andeuten: Von Tarsus bis Tre Fontane. Das ist zunächst eine geographische und biographische Wegstrecke, auf der das Leben des Paulus verlaufen ist: räumlich von Osten nach Westen, zeitlich von der Geburt bis zum Tod. Grob genommen ist es zugleich die Bahn, die das Evangelium und ihr Träger, die Kirche, in der neutestamentlichen Frühzeit zurücklegt, näherhin von Jerusalem, wo Paulus studiert hat, über Antiochien, Kleinasien und Griechenland bis zur Hauptstadt Rom. Es ist zugleich ein Weg durch die drei Kulturen, die Paulus in sich vereinigt und die dann im Christentum zu einer höheren Einheit zusammenfinden, nicht zuletzt durch das Wirken des Völker-Apostels Paulus: die jüdische, die griechisch-hellenistische und die römische. Die beiden Orte (Tarsus und Tre Fontane) verweisen aber darüber hinaus noch auf weitere Wegstrecken und Bögen. Lehrreich für uns Exegeten ist in meinen Augen vor allem der Bogen von den äußeren historischen Tatsachen, von denen die Ansprachen ausgehen, zu den theologischen Aussagen und zur andersartigen Wahrheit, wie sie in der Legende enthalten ist.
Paulus von Tarsus ist mit seinem Lebenslauf und mit der weiterführenden Legende zu einem „römischen Brunnen“ geworden, der in viele Schalen überfließt und aus dem wir heute nachmittag mit Benedikt XVI. schöpfen. Die eigentliche, unerschöpfliche Quelle aber, aus der das lebendige Wasser des Brunnens entspringt, ist Jesus Christus.
© Prof. Dr. Otto Schwankl, Universität Passau
Lehrstuhl für Exegese und Biblische Theologie
1 Joseph Ratzinger, „Im Angesicht der Engel will ich dir singen“. Regensburger Tradition und Liturgiereform, in: JRGS 11, 549-570, hier 555; zur Verwobenheit von Liturgie und Christologie bei Ratzinger vgl. Helmut Hoping, Gemeinschaft mit Christus. Christologie und Liturgie bei Joseph Ratzinger, in: IKaZ 35 (2006), 558-572.
2 Ratzinger, Im Angesicht, 555.
3 Ratzinger, Im Angesicht, 555.
4 Joseph Ratzinger, Geist der Liturgie. Eine Einführung, in: JRGS 11, 29-194, hier 149.
5 Joseph Ratzinger, Das Welt- und Menschenbild der Liturgie und sein Ausdruck in der Kirchenmusik, in: JRGS 11, 527-547, hier 534.
6 Vgl. Ratzinger, Welt- und Menschenbild , 531-534.
7 Ratzinger, Welt- und Menschenbild, 534.
8 Vgl. Ratzinger, Welt- und Menschenbild, 534. Nur der vom Geist-Handeln Gottes bestimmte Gottesdienst ist geistbestimmter Gottesdienst, mit Paulus gesprochen logike latreia (Röm 12,1); von Johannes her gedacht wäre das Anbetung in Geist und Wahrheit (vgl. Joh 4,23); logike latreia könnte aber auch wiedergegeben werden mit „vom Wort geprägte Gottesverehrung“, von einem Wort, das biblisch gesprochen „mehr ist als Sprache und Rede, nämlich schöpferische Wirklichkeit. Es ist allerdings auch mehr als bloßer Gedanke und bloßer Geist: Es ist sich auslegender, sich mitteilender Geist“ (ebd., 538), was dann in seinen Überlegungen zur liturgischen Musik bedeutsam wird, wie wir noch sehen werden.
9 Vgl. Ratzinger, Welt- und Menschenbild , 534.
10 Vgl. Joseph Ratzinger, „Auferbaut aus lebendigen Steinen“. Das Gotteshaus und die christliche Weise der Gottesverehrung, in: JRGS 11, 443-461, hier 460.
11 Vgl. Ratzinger, Geist der Liturgie, 149.
12 Ratzinger, Geist der Liturgie, 149.
13 Ratzinger, Geist der Liturgie, 149.
14 Ratzinger, Geist der Liturgie, 149.
15 Ratzinger, Geist der Liturgie, 149.
16 Vgl. Ratzinger, Geist der Liturgie, 150.
17 Ratzinger, Geist der Liturgie, 30. An anderer Stelle schreibt er: „Gebete, die aus dem Herzen gläubiger Menschen unter der Führung des Heiligen Geistes aufgestiegen sind, sind uns eine vom Heiligen Geist angebotene Schule, die langsam unseren stummen Mund öffnet und uns hilft, beten zu lernen“ (ebd. 180-181).
18 Vgl. Ratzinger, Geist der Liturgie, 144-145; vgl. hierzu auch Kurt Koch, Die Konstitution über die Heilige Liturgie und die nachkonziliare Liturgiereform. Innovation und Kontinuität im Licht der Hermeneutik der Reform, in: Papst Benedikt XVI. und sein Schülerkreis / ders. (Hg.), Das Zweite Vatikanische Konzil. Die Hermeneutik der Reform. Herausgegeben im Auftrag des Schülerkreises von Papst Benedikt XVI. von Stephan Otto Horn und Siegfried Wiedenhofer, Augsburg 2012, 70-98, hier 76-80.
19 Vgl. Joseph Ratzinger, 40 Jahre Konstitution über die heilige Liturgie. Rückblick und Vorblick, in: JRGS 11, 695-711, hier 695.
20 Ratzinger bezeichnet die das Wort überschreitenden Gabe des Singens und Spielens vor Gott als Geschenk des Geistes, vgl. Ratzinger, Geist der Liturgie, 132.
21 Ratzinger, Geist der Liturgie, 125.
22 Vgl. Joseph Ratzinger, Zur theologischen Grundlegung der Kirchenmusik, in: JRGS 11, 501-526, hier 517.
23 Ratzinger, Geist der Liturgie, 125; vgl. hierzu Michaela C. Hastetter, Liturgie – Brücke zum Mysterium. Grundlinien des Liturgieverständnisses Benedikts XVI., in: dies. / Christoph Ohly / Georgios Vlachonis (Hg.), Symphonie des Glaubens. Junge Münchener Theologen im Dialog mit der Theologie Benedikts XVI., St. Ottilien 2007, 131-150, insb. 140-142.
24 Ratzinger, Theologische Grundlegung, 519-520.
25 Ratzinger, Theologische Grundlegung, 520.
26 Ratzinger, Welt- und Menschenbild, 540.
27 Vgl. Ratzinger, Welt- und Menschenbild, 540, hier wörtlich: „Es spielt sich Verleiblichung ab, die Vergeistigung ist, und Vergeistigung, die Verleiblichung ist. Die christliche Verleiblichung ist immer zugleich Vergeistigung, und die christliche Vergeistigung ist Verleiblichung in den Leib des menschgewordenen Logos hinein.“ Ähnlich schon an anderer Stelle: „Die Vergeistigung der Sinne ist die wahre Vergeistigung des Geistes“ (Ratzinger, Theologische Grundlegung, 520).
28 Ratzinger, Auferbaut, 456.
29 Ratzinger, Auferbaut, 456.
30 Für Ratzinger heißt das aber auch, dass dort, wo der Geist baut, steinerne Kirchenbauten letztlich ersetzbar und gleichwertig werden. So ergeben sich für ihn erst auf der zweiten Ebene die Rangunterschiede von Kathedralkirchen (als Bischofskirchen) und kleinen Dorfkirchen, vgl. hierzu Ratzinger, Auferbaut, 456-457.
31 Vgl. Ratzinger, Auferbaut, 458-459.
32 Vgl. Ratzinger, 40 Jahre Konstitution ,703.
33 Vgl. Ratzinger, 40 Jahre Konstitution ,703.
34 Vgl. hierzu und im Folgenden, Ratzinger, Geist der Liturgie, 110-113.
35 Ratzinger, Geist der Liturgie,111.
36 Ratzinger, Geist der Liturgie,111.
37 Vgl. hierzu Ildefons Herwegen, Der heilige Benedikt – ein Charakterbild, Düsseldorf 1951, 128-129.
38 Joseph Ratzinger, „Wecke Deine Macht auf und komm“. Adventspredigt im Hohen Dom zu Trier, in: JRGS 11, 719-723, hier 722.
39 Vgl. Joseph Ratzinger, Zum Gedenken an Klaus Gamber, in: JRGS 11, 634-635.
40 Ratzinger, Zum Gedenken, 635.
41 Ratzinger, Zum Gedenken, 635.
42 Vladimir Ivanov, „Der Geist der Liturgie“ von Joseph Ratzinger im Lichte der orthodoxen Theologie, in: OFo 21 (2007), 141-152, hier 152. Diese Übereinstimmung in liturgiewissenschaftlichen Fragen bezieht sich nicht nur auf den „vollen Einklang mit der orthodoxen Ikonentheologie“, sondern überhaupt auf Ratzingers Buch „Der Geist der Liturgie“, der „auf ein überaus großes Interesse bei heutigen orthodoxen Theologen stößt“ (ebd.). Ivanov fährt fort (wo sich dann am Schluss auch die zitierte Spitzenaussage findet): „Man kann sich nur wundern, wie langsam der Prozess seiner Rezeption nicht allein bei orthodoxen, sondern auch bei katholischen Theologien verläuft, während es als Ausgangspunkt für einen produktiven Dialog dienen könnte. Leider sind Themen wie diese gegenwärtig von kirchenpolitischen Fragen (vor allem vom Uniatismus) verdrängt worden, die das Interesse von den wirklich ernsten und perspektivischen Problemen abgelenkt haben. Von ihrer Bewältigung hängt in nicht geringem Maße das Schicksal der europäischen Christenheit ab. Die Geschichte bietet diese wohl einmalige Chance gerade jetzt, wo die Römisch-katholische Kirche von Benedikt XVI. geleitet wird, dem am meisten orthodox denkenden Papst des letzten Jahrhunderts“ (ebd.).
43 Hier wörtlich: „In seinen wesentlichen Intentionen deckt es sich durchaus mit dem, was seinerzeit Guardinis Schrift gewollt hatte; deswegen habe ich mit Absicht einen Titel gewählt, der sofort an den Klassiker liturgischer Theologie denken lässt“ (Ratzinger, Geist der Liturgie, 31).
44 Ratzinger, Geist der Liturgie, 153.