10 Jahre Papst Benedikt XVI.-Gastprofessur
an der Fakultät für Katholische Theologie der Universität Regensburg
„Gottes eigenen Lehrstuhl“ kündigte der Focus am 08.03.2007 für die Universität Regensburg an und andere Medien sprachen von einem „Heiligen Lehrstuhl“ der in die Regensburger Fakultät für Katholische Theologie kommen würde, nachdem Bischof Gerhard Ludwig Müller im Anschluss an den Papstbesuch an der Universität im September 2006 eine Stiftungsprofessur zur Erforschung der Theologie Joseph Ratzingers in Aussicht gestellt hatte. Das Thema schien den Medien – wenn auch aus sehr unterschiedlichen Gründen – so sehr zu gefallen, dass sie wie auch einige der Akteure in Regensburg die Realität aus den Augen verloren zu haben schienen; denn einen Stifter und einen Stiftungswillen zu haben, reicht für einen Lehrstuhl noch nicht. Bei der Einrichtung eines Stiftungslehrstuhls müssen alle üblichen akademischen und verwaltungstechnischen Wege eingehalten werden. Dies wusste auch Papst Benedikt XVI., ist er doch Ende der siebziger Jahre selbst Prorektor der Regensburger Universität gewesen ist. In einem Brief an Bischof Müller schrieb Benedikt XVI. nämlich, dass man auf jeden Fall eine Lösung suchen solle, „die auch vom akademischen Senat und von der theologischen Fakultät selbst mit Überzeugung angenommen werden kann. Es sollte auch für den Senat einsichtig sein, dass die Theologie nicht mit einer Art Privatprojekt mehr Platz im Haus beansprucht als ihr bisher zugewiesen war, sondern dass es um eine wirkliche Bereicherung des Dialogs innerhalb der Universität und der Universität als solcher mit den großen Fragen unserer Zeit gehen soll, also an eine Bereicherung für die ganze Universität gedacht ist.“ Durch einen glücklichen Zufall war die Fakultät mit dem Schülerkreis Joseph Ratzingers ins Gespräch gekommen, aus dem kurz zuvor die Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung hervorgegangen war. Die Vertreter des Schülerkreises beziehungsweise der Stiftung, namentlich Pater Stephan Horn und Wolfram Schmidt, nahmen den Vorschlag des damaligen Dekans, eine jährlich wechselnde Gastprofessur statt eines Stiftungslehrstuhls einzurichten, auf. Und auch Papst Benedikt war dem zugeneigt. In besagtem Brief betonte er, dass ihm der Vorschlag, den der Dekan im Gespräch mit dem Schülerkreis entwickelt hat, „als eine sinnvolle institutionelle Realisation der Grundidee (erscheine), bei der ein vielstimmiges Gespräch möglich werden soll.“ In den dann folgenden Gesprächen hat Benedikt XVI. schließlich auch betont, dass es nicht um seine Person gehen solle, sondern darum, wie heute vom Glauben her der Dialog mit den Herausforderungen unserer Zeit geführt werden kann. Dies hat den dann einsetzenden konstruktiven Dialog, den die Stiftung, respektive der Schülerkreis, und die Fakultät geführt haben, bestimmt und der darin mündete, dass am 16. Juni 2010 eine entsprechende Kooperationsvereinbarung zwischen der Stiftung und der Universität Regensburg/der Fakultät für Katholische Theologie unterzeichnet werden konnte. In dieser Vereinbarung war festgehalten, dass ein sechsköpfiges Gremium, je zur Hälfte von der Fakultät und der Stiftung besetzt, geeignete Personen für das gemeinsame Anliegen der Gastprofessur auszusuchen hat. Noch 2010 ist dieses Gremium erstmals zusammengetreten, um über Personen für die Gastprofessur zu diskutieren. Es muss an dieser Stelle einmal gesagt werden, dass das Auswahlgremium im Laufe der Jahre viele Vorschläge kontrovers diskutiert hat, aber alle Entscheidungen über Einzuladende einmütig gefasst hat. Nicht unerwähnt bleiben darf auch, dass Herr Wolfram Schmidt nicht nur als Schatzmeister der Stiftung dafür gesorgt hat, dass Finanzprobleme bei der Gastprofessur entweder gar nicht aufkamen oder schnell gelöst wurden, sondern dass er als interessierter Hörer auch, wann immer es ihm möglich war, an den Vorlesungen der Gastprofessur teilgenommen hat. Dafür möchte ich ihm ausdrücklich danken!
Die erste Gastprofessur startete dann 2012 mit Hans Joas zum Thema „Sakralisierung und Säkularisierung. Eine Alternative zur Säkularisierungstheorie“. Im darauffolgenden Jahr war der französische Theologe François Bœspflug, der in Straßburg den Lehrstuhl für Religionsgeschichte vertrat, zu Gast und sprach über „Den Gott der Maler und Bildhauer. Die Inkarnation des Unsichtbaren“. 2014 wurde die Gastprofessur von dem renommierten Wiener Judaisten Günter Stemberger vertreten, der Vorlesungen zu „Mose in der rabbinischen Tradition“ hielt. Aus Frankreich folgte 2015 der Fundamentaltheologe vom Centre Sèvres, der Fakultät der Jesuiten in Paris, Christoph Theobald, der unter dem Titel „Christentum als Stil“ für ein zeitgemäßes Glaubensverständnis in Europa warb. 2016 konnten wir schließlich mit Angelika Neuwirth von der FU Berlin die international anerkannte Islamwissenschaftlerin und Koranspezialistin gewinnen, die mit ihren Vorlesungen „Die koranische Verzauberung der Welt und ihre Entzauberung in der Geschichte“ einen durch die Rede Benedikts XVI. an der hiesigen Universität bei seinem Besuch 2006 notwendig gewordenen und schon zuvor begonnenen Dialog aufnehmen und vertiefen konnte. Zum Reformationsjubiläum 2017 konnten wir mit der Gastprofessur einen ökumenischen Akzent setzen, den der evangelische Kirchenhistoriker und frühere Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin Christoph Markschies unter die Frage „Wie theologisch ist die Kirchengeschichte?“ gestellt hat. Die darauffolgende Gastprofessur im Jahre 2018 war der Philosophie gewidmet und wurde von dem französischen Philosophen und Theologen Jean-Luc Marion wahrgenommen, der unter dem Thema „Das Erscheinen des Unsichtbaren“ Fragen zur Phänomenalität der Offenbarung thematisierte.
Die auf den ersten Blick so einfach erscheinende Frage „Geht Religion auch ohne Theologie?“ spitzte der Religionspädagoge der Universität Duisburg-Essen Rudolf Englert in seinen Vorlesungen immer wieder auf die Wahrheitsfrage zu, um die Rolle von Theologie in religiösen Tradierungsprozessen zu beleuchten.
2020 sollte Prof. Paul Kirchhof kommen, doch es kam die Pandemie, sodass wir auf 2021 verschoben haben. Ende 2020 bat Dr. Hofmann als Vorstandsmitglied der Stiftung die Universität, das Programm der Gastprofessur zu beenden, da die Ertragslage der Stiftung eine Konzentration nötig mache und die Stiftung vor allem laufende Stipendien weiterführen wolle. Im selben Schreiben teilte Herr Hofmann mit, dass der emeritierte Papst die Berufung von Paul Kirchhof „für 2021 sehr begrüße“. Im Sommer 2021 waren wir immer noch auf Distanz und lehrten digital. Für die Veranstaltungen der Gastprofessur, die die Begegnung und den lebendigen Austausch braucht, wollten wir und auch Prof. Kirchhof lieber auf bessere Zeiten warten, so dass wir erneut, und zwar ins Sommersemester 2022 verschoben hatten. Corona holte uns ein und erwischte Paul Kirchhof. Dank dem engagierten Einsatz von Kollegin Demel, die vor so vielen Jahren das Mentorat für diese Gastprofessur übernommen hatte, ohne auch nur zu ahnen, dass es sie so lange begleiten würde, gelang die Verlegung auf den Beginn des aktuellen Wintersemesters. Dafür gebührt ihr unser aller Dank!
Nun ist es 2022 geworden, dass wir Paul Kirchhof hier begrüßen können und mit ihm das Projekt der Gastprofessur nach zehn Jahren zu einem guten und schönen Abschluss bringen wollen. Man soll ja bekanntlich auch aufhören, wenn es am schönsten ist … In diesem Sinne freuen wir uns nun auf den Festvortrag von Professor Kirchhof.