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Beitrags des emeritierten Papstes Benedikt XVI.„Es ist mir immer mehr klar geworden, dass Johannes Paul II. ein Heiliger war“
Accanto a Giovanni Paolo II.
Gli amici e i collaboratori raccontano”
Wlodzimierz Redzioch Autore: Autori Vari
Titolo: Accanto a Giovanni Paolo II
Sottotitolo: Gli amici & i collaboratori raccontano
Edizioni Ares 2014
ISBN: 978-88-8155-594-9
Seine Heiligkeit Benedikt XVI.
„Es ist mir immer mehr klar geworden,
dass Johannes Paul II. ein Heiliger war“
Heiligkeit, die Namen Karol Wojtyla und Joseph Ratzinger verbinden sich in vielerlei Hinsicht mit dem II. Vatikanischen Konzil. Haben Sie sich schon während des Konzils kennengelernt?
Die erste bewußte Begegnung zwischen Kardinal Wojtyła und mir hat erst in dem Konklave stattgefunden, in dem Johannes Paul I. gewählt worden ist.
[…] Natürlich hatte ich von seiner philosophischen und von seiner pastoralen Arbeit gehört und wünschte mir schon lange, ihn kennenzulernen. Wojtyła seinerseits hatte meine „Einführung in das Christentum“ gelesen, die er auch in den Exerzitien zitiert hat, die er in der Fastenzeit 1976 für Paul VI. und die Kurie gepredigt hatte. So haben wir innerlich gleichsam schon auf eine Begegnung miteinander gewartet. Ich habe von Anfang an große Verehrung und herzliche Sympathie für den Krakauer Metropoliten gespürt. Im Prä-Konklave 1978 hat er in beeindruckender Weise für uns das Wesen des Marxismus analysiert. Vor allem aber habe ich seine menschliche Ausstrahlung sofort stark empfunden und an seiner Gebetshaltung gespürt, wie tief er mit Gott verbunden war.
Was waren die lehrmässigen Herausforderungen, denen Sie sich während
Ihrer Amtszeit an der Glaubenskongregation gemeinsam gestellt haben?
Die erste große Herausforderung, der wir begegnet sind, war die in Lateinamerika sich ausbreitende Theologie der Befreiung. Die allgemeine Meinung darüber sowohl in Europa wie in Nordamerika war: Es gehe dabei um die Hilfe für die Armen und so um eine Sache, der man nur rundum zustimmen kann. Dies ist aber ein Irrtum. Gewiß waren die Armut und die Armen Thema der Befreiungstheologie, aber in einer sehr spezifischen Perspektive. Unmittelbare Hilfen für die Armen, Reformen, die ihre Situation besserten, wurden als Reformismus beurteilt, der systemstabilisierend wirkt: Sie dämpfen – so sagte man – den Zorn und die Empörung, die aber für die revolutionäre Umwandlung der Systeme nötig seien. Nicht um unmittelbare Hilfe und um Reformen ging es, sondern um den großen Umsturz, der eine neue Welt heraufführen sollte. Der christliche Glaube wird dabei als Motor für diese revolutionäre Bewegung eingesetzt und so zu einer politischen Kraft umgewandelt. Die religiösen Überlieferungen des Glaubens dienen der politischen Aktion. Damit ist der Glaube zutiefst seiner selbst entfremdet, und auch die wirkliche Liebe zu den Armen ist abgestumpft. Natürlich treten diese Ideen in verschiedenen Variationen auf und sind nicht immer in voller Schärfe gegenwärtig, aber die Gesamtbewegung ging in diese Richtung. Dieser Verfälschung des christlichen Glaubens – gerade auch um der Armen und des Dienstes für sie wegen – war entgegenzutreten. Papst Johannes Paul II. hat uns hier aufgrund der Erfahrungen seiner polnischen Heimat die entscheidenden Lichter aufgesetzt. Einerseits hatte er die Versklavung durch die marxistische Ideologie erlebt, die der Befreiungstheologie Pate stand. So war ihm aus eigener leidvoller Erfahrung klar, daß diesem Typus von „Befreiung“ entgegengetreten werden muß. Andererseits hat er gerade in der Situation seiner Heimat gesehen, daß die Kirche wirklich für Freiheit und Befreiung wirken muß – nicht auf politische Weise, sondern dadurch, daß sie in den Menschen durch den Glauben die Kräfte wirklicher Befreiung erweckt. Der Papst hat uns angeleitet, über beides zu sprechen: einerseits eine falsche Befreiungsidee zu demaskieren und andererseits die wirkliche Berufung der Kirche zur Befreiung der Menschen darzustellen. Das haben wir in den beiden Instruktionen zur Befreiungstheologie zu sagen versucht, die am Anfang meiner Arbeit in der Glaubenskongregation standen.
Ein Hauptproblem unserer Arbeit in den Jahren, in denen ich Präfekt war, ist dann das Ringen um das rechte Verstehen der Ökumene gewesen. Auch hier handelt es sich um einen zweiseitigen Sachverhalt: Einerseits ist der Auftrag zur Einheit mit aller Dringlichkeit darzustellen und die Wege dafür sind zu öffnen. Andererseits müssen falsche Einheitsvisionen abgewiesen werden, die von einer Verdünnung des Glaubens her einen Abkürzungsweg zur Einheit des Glaubens eröffnen möchten. In diesem Zusammenhang sind Texte zu verschiedenen Aspekten der Ökumene entstanden. Am meisten Aufregung hat das Dokument „Dominus Iesus“ (2000) hervorgerufen, das die unverzichtbaren Elemente des katholischen Glaubens zusammenfaßt.
Ein zentrales Thema bleibt das Gespräch der Religionen miteinander, zu dem wir allerdings nur einige kleinere Texte veröffentlichen konnten.
[…]
Schließlich haben wir uns auch mit der Frage nach dem Wesen und Auftrag der Theologie in unserer Zeit befaßt. Wissenschaftlichkeit und kirchliche Bindung erscheint ja weithin heute als Widerspruch. Dennoch kann Theologie nur in und mit der Kirche bestehen. Zu dieser Frage haben wir eine Instruktion veröffentlicht.
Welche der vielen Enzykliken von Johannes Paul II. halten Sie für die wichtigste?
Ich denke, daß drei Enzykliken von besonderer Wichtigkeit sind. An erster Stelle nenne ich „Redemptor hominis“ – die erste Enzyklika des Papstes, in der er seine persönliche Synthese des christlichen Glaubens vorgelegt hat. Dieser Text zeigt eine Art Summe seines eigenen Ringens mit dem Glauben und bietet so eine Gesamtsicht der Logik des Christentums dar. Als eine Antwort auf die Frage, wie man heute Christ sein und als Katholik glauben kann, ist dieser ganz persönliche und doch ganz kirchliche Text eine große Hilfe für jeden Suchenden.
An zweiter Stelle möchte ich die Enzyklika „Redemptoris missio“ nennen. Es ist ein Text, der die bleibende Bedeutung des missionarischen Auftrags der Kirche herausstellt und dabei besonders auf die Fragen eingeht, die sich der Christenheit in Asien stellen und die die Theologie in der westlichen Welt bewegen.[…]
An dritter Stelle möchte ich die Enzyklika über die Moralprobleme – „Veritatis splendor“ – nennen. Sie hat lange Jahre der Reifung benötigt und ist von unveränderter Aktualität. Die Konstitution des II. Vaticanums über die Kirche in der Welt von heute hatte gegenüber der überwiegend naturrechtlichen Ausrichtung der Moraltheologie von damals eine biblische Fundierung der katholischen Morallehre von der Gestalt Christi und seiner Botschaft her verlangt. Dies wurde nur kurze Zeit ansatzhaft versucht, dann setzte sich die Meinung durch, die Bibel habe gar keine eigene Moral zu verkündigen, sondern verweise auf die jeweils gültigen moralischen Modelle. Moral sei eine Frage der Vernunft, nicht des Glaubens. So verschwand zwar die naturrechtlich verstandene Moral, aber es wurde keine christliche Konzeption an ihre Stelle gesetzt. Da man weder eine metaphysische noch eine christologische Fundierung der Moral erkennen konnte, griff man zu pragmatischen Lösungen – zu einer Moral der Güterabwägung, in der es das eigentlich Böse und das eigentlich Gute nicht mehr gibt, sondern nur von der Wirkung her das Bessere oder Schlechtere. Hier wieder sowohl eine metaphysische Fundierung in der Anthropologie wie auch eine christliche Konkretisierung in dem neuen Menschenbild der Heiligen Schrift zu finden, war eine große Aufgabe, der sich der Papst in dieser Enzyklika gestellt hat. Sie zu studieren und sich anzueignen, bleibt eine große und wichtige Aufgabe. […]
Was war für die Spiritualität von Johannes Paul II. besonders kennzeichnend?
Die Spiritualität des Papstes war vor allem geprägt durch die Intensität seines Betens und damit zutiefst verwurzelt in der Feier der heiligen Eucharistie und im Mitbeten mit der Kirche im Stundengebet. In seinem autobiographischen Buch „Dono e mistero“ kann man sehen, wie sehr das Sakrament des Priestertums sein Leben und Denken geprägt hat. So konnte seine Frömmigkeit nie nur individuell sein, sondern war immer auch Mitsorge um die Kirche und um die Menschen überhaupt. Christus zu den anderen zu bringen, war im Kern seiner Frömmigkeit als Auftrag verankert. Seine große Liebe zur Muttergottes haben wir alle gekannt. Wenn er sich Maria ganz zu eigen gab, so bedeutet dies, daß er mit ihr ganz für den Herrn da war. So wie Maria nicht für sich selbst, sondern für Ihn lebte, lernte er von ihr und durch das Mitsein mit ihr die völlige Dienstbereitschaft für Christus.
Heiliger Vater, Sie haben den Weg für die Seligsprechung früher eröffnet, als es das Kanonische Recht festlegt. Wann und wodurch reifte in Ihnen die Überzeugung, dass Johannes Paul II. ein Heiliger war?
Daß Johannes Paul II. ein Heiliger war, ist mir in den Jahren der Zusammenarbeit immer neu und immer mehr klar geworden. Da ist natürlich zunächst seine intensive Gottesbeziehung, sein Eingesenktsein in die Gemeinschaft mit dem Herrn zu nennen, von der ich eben schon gesprochen hatte. Von da her kam seine Fröhlichkeit mitten in den großen Mühsalen, die er zu bestehen hatte, und der Mut, mit dem er seinen Auftrag in einer wahrhaft schwierigen Zeit erfüllte. Johannes Paul II. hat nicht nach Beifall gefragt und nicht ängstlich umgeschaut, wie seine Entscheidungen wohl aufgenommen würden. Er hat aus seinem Glauben und aus seiner Einsicht heraus gehandelt und war bereit, auch Schläge auf sich zu nehmen. Der Mut der Wahrheit ist in meinen Augen ein erstrangiges Kriterium der Heiligkeit.
Nur von seiner Gottesbeziehung her kann man auch seinen rastlosen pastoralen Einsatz verstehen. Er hat sich mit einer Radikalität hingegeben, die nicht anders erklärt werden kann. Sein Einsatz war rastlos – nicht nur in den großen Reisen, deren Programme von Anfang bis Ende dicht gefüllt waren, sondern auch Tag um Tag von der Morgenmesse beginnend bis in die späten Stunden hinein. Bei seinem ersten Besuch in Deutschland (1980) habe ich erstmals diesen ungeheuren Einsatz ganz konkret erlebt. So habe ich für seinen Aufenthalt in München entschieden, daß er eine längere Mittagspause haben müsse. In dieser Pause hat er mich in sein Zimmer hinaufgerufen. Ich fand ihn beim Beten des Stundengebets und sagte zu ihm: „Heiliger Vater, Sie sollten doch ruhen.“ Er darauf: „Das kann ich dann im Himmel tun.“ Nur wer zuinnerst erfüllt ist von der Dringlichkeit seiner Sendung, kann so handeln.
Dann muß ich aber auch seine außerordentliche Güte und Nachsicht rühmen. Er hätte gewiß oft Grund genug gehabt, mich zu rügen oder auch meinen Auftrag als Präfekt zu beenden. Aber er ist mit einer ganz unbegreiflichen Treue und Güte zu mir gestanden. Auch da ein Beispiel. Angesichts des Wirbels, der um die Erklärung „Dominus Iesus“ entstanden war, sagte er zu mir, er wolle bei einem Angelus unzweideutig das Dokument verteidigen. Er lud mich ein, einen Text für den Angelus zu schreiben, der sozusagen wasserdicht sei und keine Umdeutungen gestattete. Es mußte völlig unmißverständlich erscheinen, daß er das Dokument uneingeschränkt billigte. Ich habe dann eine kleine Rede geschrieben, aber ich wollte doch nicht zu hart werden und habe versucht, den Text klar, aber ohne Härte zu schreiben. Der Papst hat mich nach der Lektüre noch einmal gefragt: „Ist das wirklich klar genug?“, was ich bejaht habe. Wer die Theologen kennt, wird sich nicht wundern, daß dann doch behauptet wurde, der Papst habe sich vorsichtig vom Text distanziert.
Was fühlen Sie heute zutiefst, da die Kirche offiziell die Heiligkeit „Ihres“ Papstes anerkennt, dessen engster Mitarbeiter Sie waren?
So ist meine Erinnerung an Johannes Paul II. von Dankbarkeit angefüllt. Ich konnte und durfte nicht versuchen, ihn nachzuahmen, aber ich habe versucht, sein Erbe und seinen Auftrag, so gut ich konnte, weiterzutragen. Und so bin ich ganz sicher, daß seine Güte mich auch heute begleitet und sein Segen mich beschützt.
Partielle Wiedergabe des exklusiven Beitrags des emeritierten Papstes Benedikt XVI „Mi è divenuto sempre più chiaro che Giovanni Paolo II fosse un santo“ in dem von Wlodzimierz Redzioch herausgegebenen Werk „Accanto a Giovanni Paolo II. Gli amici e i collaboratori raccontano“, Edizioni Ares 2014, S. 13-24.
© 2014 Edizioni Ares
Der Text wurde von Papst Benedikt in Deutsch verfasst. Die Fragen übersetzte Gisela Zöhrer.