Zum Priesterjahr 2009/2010

Papst Benedikt XVI. antwortet Priestern

  Aus Antworten, die Papst Benedikt XVI. während einiger Treffen mit Priestern, Diakonen und Seminaristen auf aktuelle Fragen gegeben hat Thema 1: Liturgie – Ars celebrandi Beim Treffen mit Priestern der Diözese Albano, der größten der sogenannten Suburbikarischen Diözesen, die Rom umgeben (am 31. August 2006 in Castel Gandolfo) fragte Don Vittorio Petruzzi, Pfarrvikar in Aprilia: Heiligkeit, für das bald beginnende Pastoraljahr ist unsere Diözese vom Bischof aufgefordert worden, der Liturgie besondere Aufmerksamkeit zu widmen, sowohl auf theologischer Ebene wie hinsichtlich der gottesdienstlichen Praxis. Das zentrale Thema bei den Wochen der Zusammenkunft der Diözese, an denen wir im September teilnehmen werden, lautet: „Die Planung und Durchführung der Verkündigung im Kirchenjahr, in den Sakramenten und in den Sakramentalien“. Wir sind als Priester dazu aufgerufen, die Liturgie „ernsthaft, schlicht und schön“ zu gestalten, um eine schöne Formulierung zu gebrauchen, die aus dem Dokument des italienischen Episkopats „Das Evangelium in einer sich wandelnden Welt vermitteln“ stammt. Heiliger Vater, können Sie uns helfen zu verstehen, wie sich das alles in die „ars celebrandi“ umsetzen läßt? Papst Benedikt antwortet darauf: „Ars celebrandi“: Auch hier würde ich sagen, daß es verschiedene Ebenen gibt. Die erste Ebene ist die, daß die „celebratio“ Gebet und Gespräch mit Gott ist: Gott spricht mit uns, und wir sprechen mit Gott. Daher ist die erste Voraussetzung für eine gute liturgische Feier die, daß der Priester wirklich in dieses Gespräch eintritt. Bei der Verkündigung des Wortes fühlt er sich selbst im Gespräch mit Gott. Er ist Hörer des Wortes und Verkünder des Wortes, indem er sich zum Werkzeug des Herrn macht und versucht, dieses Wort Gottes, das er dann dem Volk weitergeben soll, zu verstehen. Er steht im Gespräch mit Gott, denn die Texte der heiligen Messe sind keine Texte für das Theater oder etwas ähnliches, sondern Gebete, durch die ich zusammen mit der versammelten Gemeinde mit Gott spreche. Es ist also wichtig, in dieses Gespräch einzutreten. Der hl. Benedikt sagt in seiner Regel in Bezug auf das Psalmengebet zu den Mönchen: „Mens concordet voci“. Die „vox“, die Worte, gehen unserem Verstand voraus. Gewöhnlich ist das nicht so: Zuerst muß man denken, und dann wird der Gedanke zum Wort. Hier aber kommt zuerst das Wort. Die heilige Liturgie schenkt uns die Worte; wir müssen in diese Worte eintreten, den Einklang mit dieser Wirklichkeit finden, die uns vorausgeht. Darüber hinaus müssen wir auch den Aufbau der Liturgie verstehen lernen und müssen lernen, warum sie so gegliedert ist. Die Liturgie ist in einem Zeitraum von 2000 Jahren gewachsen, und auch nach der Reform ist sie nicht zu etwas geworden, das lediglich von einigen Liturgikern ausgearbeitet wurde. Sie bleibt stets Weiterführung dieses ständigen Wachstums in der Anbetung und der Verkündigung. Um uns damit in Einklang zu bringen, ist es daher sehr wichtig, daß wir diesen im Laufe der Zeit gewachsenen Aufbau verstehen und mit unserer „mens“ in die „vox“ der Kirche eintreten. In dem Maße, in dem wir diese Struktur verinnerlicht, sie verstanden und die Worte der Liturgie in uns aufgenommen haben, können wir eintreten in diesen inneren Einklang und daher nicht nur als Einzelpersonen mit Gott sprechen, sondern in das „Wir“ der betenden Kirche eintreten. Und auf diese Weise können wir auch unser „Ich“ verwandeln, indem wir in das „Wir“ der Kirche eintreten, dieses „Ich“ reicher und weiter machen, mit der Kirche, mit den Worten der Kirche beten und so wirklich im Gespräch mit Gott stehen. Das ist die wichtigste Voraussetzung: Wir müssen selbst den Aufbau, die Worte der Liturgie, das Wort Gottes verinnerlichen. So wird unser Feiern wirklich zu einem Feiern „mit“ der Kirche: Unser Herz ist weit geworden, und wir tun nicht irgend etwas, sondern stehen „mit“ der Kirche im Gespräch mit Gott. Mir scheint, daß die Menschen spüren, ob wir wirklich zusammen mit ihnen im Gespräch mit Gott stehen, und andere sozusagen in unser gemeinsames Gebet, in die Gemeinschaft mit den Kindern Gottes hineinziehen, oder ob wir hingegen bloß irgend etwas Äußerliches tun. Das grundlegende Element der wahren „ars celebrandi“ ist also dieser Einklang, diese Übereinstimmung zwischen dem, was wir mit dem Mund sagen, und dem, was wir mit dem Herzen denken. Das „Sursum corda“, ein uraltes liturgisches Wort, sollte schon vor der Präfation, schon vor der Liturgie der „Weg“ unseres Redens und Denkens sein. Wir müssen unser Herz zum Herrn erheben, nicht nur als rituelle Antwort, sondern als Ausdruck von allem, was in diesem Herzen vor sich geht, das in die Höhe strebt und auch die anderen nach oben zieht. Mit anderen Worten, die „ars celebrandi“ will nicht zu einer Art Theatervorführung, zu einem Schauspiel einladen, sondern zu einer Innerlichkeit, die spürbar ist und die für die Anwesenden annehmbar und offenkundig wird. Nur wenn die Menschen sehen, daß dies keine rein äußerliche „ars“ nach der Art eines Schauspiels ist – wir sind keine Schauspieler! –, sondern der Ausdruck des Weges unseres Herzens, das auch ihr Herz gewinnt, dann wird die Liturgie schön, dann wird sie zur Gemeinschaft aller Anwesenden mit dem Herrn. Natürlich müssen mit dieser Grundvoraussetzung – die in den Worten des hl. Benedikt zum Ausdruck kommt: „Mens concordet voci“, das Herz soll wirklich erhoben, zum Herrn erhoben werden – auch äußere Dinge einhergehen. Wir müssen lernen, die Worte gut auszusprechen. Als ich noch Professor in meiner Heimat war, haben manchmal die jungen Leute die Lesungen aus der Heiligen Schrift vorgetragen. Und sie haben sie so gelesen, wie man den Text eines Dichters liest, den man nicht verstanden hat. Um zu lernen, gut zu lesen und zu sprechen, muß man natürlich vorher den Text in seiner Dramatik, in seinem Jetzt und Heute verstanden haben. Das gilt auch für die Präfation. Und für das Eucharistische Hochgebet. Es ist für die Gläubigen schwierig, einem so langen Text wie dem unseres Eucharistischen Hochgebets zu folgen. Deshalb kommt es immer zu neuen „Erfindungen“. Aber immer neue Eucharistische Hochgebete sind keine Antwort auf das Problem. Das Problem ist, daß dies ein Augenblick sein soll, der auch die anderen zur Stille mit Gott und zum Beten mit Gott einlädt. Nur dann, wenn das Eucharistische Hochgebet gut gesprochen wird, auch mit den notwendigen Augenblicken der Stille, wenn es mit Innerlichkeit, aber auch mit Sprechkunst vorgetragen wird, können die Dinge besser werden. Daraus folgt, daß das Eucharistische Hochgebet einen Augenblick besonderer Aufmerksamkeit verlangt, um so vorgetragen zu werden, daß es die anderen mit einbezieht. Ich denke, wir müssen sowohl in der Katechese als auch bei den Predigten und bei anderen Anlässen Gelegenheiten finden, um dem Volk Gottes dieses Eucharistische Hochgebet gut zu erklären, damit es dessen großen Momenten zu folgen vermag – dem Einsetzungsbericht und den Einsetzungsworten, dem Gebet für die Lebenden und die Toten, der Danksagung an den Herrn, der Epiklese –, um die Gemeinde wirklich in dieses Gebet einzubeziehen. Die Worte müssen daher gut gesprochen werden. Außerdem muß es eine entsprechende Vorbereitung geben. Die Ministranten müssen wissen, was sie tun sollen, die Lektoren müssen wirklich wissen, wie sie den Text vortragen sollen. Dann muß der Gesang vorbereitet, der Altar gut hergerichtet werden. Das alles gehört – auch wenn es sich um viele praktische Dinge handelt – zur „ars celebrandi“. Aber, und damit schließe ich, das grundlegende Element ist die Kunst, in Gemeinschaft mit dem Herrn zu treten, die wir mit unserem gesamten Leben als Priester vorbereiten. Das Treffen mit der Klerus von Rom zu Beginn der Fastenzeit 2006, am 2. März, gibt etwas Einblick, wie der Papst mit der Liturgie lebt. Er antwortet auf Fragen des Spirituals des Priesterseminars: Ich gebe ein konkretes Beispiel, das mir gerade heute während der kurzen Tagesmeditation in den Sinn gekommen ist. Die „Statio“ des heutigen Tages, Donnerstag nach dem Aschermittwoch, ist der heilige Georg. Diesem heiligen Soldaten entsprechend gab es früher zwei Lesungen über zwei heilige Soldaten. In der ersten ist die Rede vom König Hiskija, der todkrank ist und den Herrn unter Tränen bittet: Lass mich noch eine Weile leben! Und der Herr ist gütig und gewährt ihm noch 17 weitere Lebensjahre. Also eine schöne Heilung und ein Soldat, der seine Tätigkeit wieder aufnehmen kann. Die zweite Lesung ist das Evangelium, in dem vom Hauptmann von Kafarnaum und seinem kranken Diener erzählt wird. So haben wir zwei Motive: das der Heilung und das der „militia christi“, des großen Kampfes. Jetzt, in der gegenwärtigen Liturgie, haben wir zwei vollkommen andere Lesungen. Wir haben die Lesung aus dem Buch Deuteronomium: „Wähle das Leben!“, und das Evangelium: „Christus nachfolgen und das Kreuz auf sich nehmen“, was bedeutet, nicht das eigene Leben zu suchen, sondern das Leben hinzugeben, und das ist eine Auslegung dessen, was es heißt, „das Leben zu wählen“. Ich muss sagen, dass ich die Liturgie immer sehr geliebt habe. Ich war in den Weg der Kirche zur Fastenzeit mit diesen „Stationskirchen“ und den mit diesen Kirchen verbundenen Lesungen richtiggehend verliebt: eine Geographie des Glaubens, die zur geistlichen Geographie des Pilgerwegs mit dem Herrn wird. Und es hat mir ein wenig Leid getan, dass uns diese Verbindung zwischen der „Statio“ und den Lesungen genommen wurde. Heute sehe ich, dass gerade diese Lesungen sehr schön sind und das Programm der Fastenzeit zum Ausdruck bringen: das Leben wählen, das heißt, das Ja der Taufe erneuern, die wirklich eine Entscheidung für das Leben ist. In diesem Sinne besteht hier eine innere Kontinuität, und es scheint mir, dass wir daraus lernen sollen, aus diesem ganz kleinen Beispiel von Diskontinuität und Kontinuität. Wir müssen das Neue annehmen, aber auch die Kontinuität lieben und das Konzil aus dem Blickwinkel der Kontinuität betrachten. Das wird uns auch dabei helfen, zwischen den Generationen und ihren Wegen der Weitergabe des Glaubens zu vermitteln. Beim Treffen mit den Priestern Roms ein Jahr später, am 22. Februar 2007, sprach der Papst auch über das liturgische Gebet. Er antwortete darin auf eine Frage des Pfarrers von „S. Maria del Divino Amore“, Msgr. Pasquale Silla: In der Liturgie lehrt uns der Herr beten, indem er uns zuerst sein Wort schenkt und uns dann im Hochgebet in die Gemeinschaft mit seinem Geheimnis des Lebens, des Kreuzes und der Auferstehung einführt. Der hl. Paulus hat einmal gesagt, „wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen“ (Röm 8,26): Wir wissen nicht, wie wir beten sollen, was wir zu Gott sagen sollen. Deshalb hat uns Gott die Worte des Gebets gegeben, sowohl in den Psalmen wie in den großen Gebeten der Heiligen Liturgie, als auch gerade in der eucharistischen Liturgie selbst. Hier lehrt er uns beten. Wir treten in das Gebet ein, das sich im Laufe der Jahrhunderte unter der Inspiration des Heiligen Geistes entwickelt hat, und schließen uns dem Gespräch Christi mit dem Vater an. Die Liturgie ist also vor allem Gebet: Zuerst Zuhören, dann Antworten, sei es im Antwortpsalm oder im Gebet der Kirche oder im Eucharistischen Hochgebet. Wir feiern die Liturgie richtig, wenn wir sie in einer „betenden “ Haltung feiern, indem wir uns dem Geheimnis Christi und seinem Gespräch als Sohn mit dem Vater anschließen. Wenn wir die Eucharistie in dieser Weise feiern – zuerst als Zuhören, dann als Antwort, somit als Gebet mit den vom Heiligen Geist angezeigten Worten –, dann feiern wir sie richtig. Und die Menschen werden hineingezogen durch unser gemeinsames Gebet in den engsten Kreis der Kinder Gottes. Prof. Dr. Achim Buckenmaier © Libreria Editrice Romana