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Jahr der Priester
Erste Benediktakademie
Zur ökumenische Initiative von Papst Benedikt XVI.
Zum Papstbesuch im Heiligen Land.
Dr. Michael Hofmann
Zur Aufhebung der Exkommunikation der vier Bischöfe der Piusbruderschaft
Statement für eine Diskussion in Nürnberg am 21.2.2009
Ich muss sagen: Es hat mich geärgert, dass unser Papst die Exkommunikation der vier Bischöfe der Piusbruderschaft ohne besondere Auflagen aufgehoben hat. Doch nicht die Emotionen sollten bei dieser heiklen Frage im Vordergrund stehen, sondern zunächst ein nüchterner Blick in die Bibel und in die Kirchengeschichte.
1. Befragen wir also die Heilige Schrift! Da wird uns gesagt:
Gott „lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte“ (Mt 5,45)
Gottes Liebe ist eine zuvorkommende Liebe. Gott sagt nicht: „Bevor ich dir meine Liebe schenke, musst du diese und jene Bedingungen erfüllen!“ (vgl. Weihnachtslied: „Da ich noch nicht geboren war, da bist du mir geboren und hast mich dir zu eigen gar, eh ich dich kannt erkoren. Eh ich durch deine Hand gemacht, da hast du schon bei dir bedacht, wie du mein wolltest werden.“ (GL 141/2)
Jesus hat im Gleichnis vom verlorenen Schaf nicht davon gesprochen, dass das Schaf erst einmal gewisse Bedingungen zu erfüllen hat, bevor der Hirte es sucht und zur Herde zurückbringt (Lk 15, 1-7).
Ja, Jesus hat sogar die Feindesliebe gepredigt: Dem, der einen auf die rechte Wange schlägt, solle man auch noch die Linke hinhalten (vgl. Mt 5,39; Lk 6,29).
Ich muss zugeben, auch wenn es mich aufwühlt: Wenn unser Papst nicht gleich mit Forderungen und Bedingungen den Bischöfen der Piusbruderschaft gegenübertrat, sondern ihnen erst einmal mit offenen Armen entgegenkam, dann hat er sich ganz im Sinn Jesu und im Sinn des Evangeliums verhalten, Unser Gott ist eben nicht ein Gott, der gleich dreinschlägt, wenn ihm irgendetwas an uns Menschen nicht gefällt, er ist vielmehr ein Gott, der das geknickte Rohr nicht zerbricht und der den glimmenden Docht nicht auslöscht (vgl. Mt. 12,20; Jes 42,3), ein Gott freilich auch, der auf die Antwort unserer Liebe wartet.
Ich erinnere mich zudem an die Worte des Paulus: Ich habe mich „für alle zum Sklaven gemacht, um möglichst viele zu gewinnen. Den Juden bin ich ein Jude geworden, um Juden zu gewinnen; denen, die unter dem Gesetz stehen, bin ich, obgleich ich nicht unter dem Gesetz stehe, einer unter dem Gesetz geworden, um die zu gewinnen, die unter dem Gesetz stehen. Den Gesetzlosen war ich sozusagen ein Gesetzloser (d. h. den Heiden ein Heide), … um die Gesetzlosen zu gewinnen. Den Schwachen wurde ich ein Schwacher, um die Schwachen zu gewinnen. Allen bin ich alles geworden, um auf jeden Fall einige zu retten. Alles aber tue ich um des Evangeliums willen.“ (l Kor 9,19b-23a). Könnte und müsste man nicht einfach ergänzen: „Den „Lefebvrianern“ bin ich ein „Lefebvrianer“ geworden…? (vgl. ferner 1 Kor 10,33: Ich suche allen in allem entgegenzukommen)
Ob es uns passt oder nicht, ich meine, wir kommen nicht daran vorbei: Vom Standpunkt der Bibel her kann man das Verhalten des Papstes nicht verurteilen: den glimmenden Docht nicht auslöschen, Sorge um die schwachen Brüder und Schwestern und ihr Gewissen, Bemühen, einen gemeinsamen Weg zu suchen! Das hat der Papst versucht.
Man kann auch nicht über die Verrechtlichung der Kirche klagen und dann sich erregen, wenn mal der Weg des Erbarmens beschritten wird. Sollte der Weg des Erbarmens nicht viel öfter und nach allen Seiten beschritten werden!?
2. Befragen wir die Kirchengeschichte!
Die Erfahrung lehrt, dass man im Laufe der Kirchengeschichte zu wenig aufeinander gehört, zu wenig miteinander gesprochen hat und aneinander vorbeigeredet hat:
2.1. Nach mehr als 1.500 Jahren stellte man fest, dass viele aus dem Kreis der sogenannten Monophysiten (da geht es um die göttliche und die menschliche Natur in Christus) zwar andere Worte gebrauchten als die offizielle kirchliche Lehre, doch wenn man genau hinhöre, erkenne man, dass sie im Kern die kirchliche Lehre teilten.
2.2. Nach 500 Jahren stellte man fest, dass in der Rechtfertigungslehre, einer der zentralen Fragen also, an denen im 16. Jahrhundert die Kircheneinheit zerbrochen ist, Katholiken und Lutheraner eine grundsätzliche Einheit konstatieren und formulieren können, dass also die Unterschiede, die es gibt, jedenfalls nicht auf einer Ebene liegen, die eine Kirchentrennung rechtfertigen/fordern würden (vgl. Erklärung zur Rechtfertigungslehre, verabschiedet am 31.10.1999).
Der Skandal: Zwei jahrhundertelange Kirchentrennungen, die nicht hätten sein müssen, wenn man offen aufeinander gehört, ohne Emotionen und Vorurteile miteinander geredet und versucht hätte, die anderen zu verstehen!
Die Konsequenz daraus: Man muss aufeinander zugehen und man muss das Gespräch suchen, notfalls „gegen alle Hoffnung“ (vgl. Röm 4,18). Diese Verantwortung hat man vor Gott, vor den Menschen und vor der Geschichte! Dem hat Papst Benedikt XVI. versucht, gerecht zu werden.
3. Ich blicke auf die Lefebvre-Bewegung:
Da muss ich sagen: Wenn ich eine der Wurzeln der Lefebvre-Bewegung in der action franςaise sehe, wenn ich ihre bisherige strikte Ablehnung wesentlicher Konzilsdekrete und manche aggressiven Äußerungen gegen Papst Benedikt XVI. („größter Modernist“, „Häretiker“) in den Blick nehme, kann ich mir schwer vorstellen, wie es hier zu einer Annäherung oder gar einer Einigung kommen soll. Es ist mehr als nur ein Streit um Worte, der sich im Aufeinander-Hören beheben ließe.
Für die „Lefebvrianer“ ist das II. Vatikanische Konzil ein Bruch: „Die nachkonziliare Kirche ist eine andere Kirche als die Kirche vor dem Konzil, und damit ist sie nicht mehr die katholische Kirche“, so ihre Grundthese..
(Man beachte: Wenn jemand die nachkonziliare Kirche der vorkonziliaren Kirche entgegenstellt, betreibt das Spiel der „Lefebvrianer“! Der Papst betont demgegenüber die Kontinuität, die konsequente Weiterentwicklung!)
Wenn die „Lefebvrianer“ die Einheit mit der Kirche suchen, werden sie ihre Einstellung zu wichtigen Dokumenten des II. Vatikanischen Konzils nicht nur überdenken, sondern revidieren müssen.
Wenn gewisse „Lefebvrianer“ behaupten, das Konzil sei ein Pastoralkonzil gewesen, es habe keine dogmatischen Entscheidungen getroffen und deshalb seien die Beschlüsse auch nicht in der üblichen Weise verbindlich und verpflichtend, dann darf man sie darauf hinweisen, dass die Katholische Kirche ihre Weihekandidaten (Treueid) und die Konvertiten (Zusatz zum Glaubensbekenntnis) nicht nur auf die Dogmen der Kirche, sondern auch auf die Treue zum ordentlichen Lehramt verpflichtet. Diesen Treueid darf man den rückkehrwiligen Bischöfen und Priestern nicht ersparen!
Gewiss ist es erfreulich, wenn führende Leute der Lefebvre-Bewegung aus ihrer Isolierung herauskommen wollen, die Einheit mit der Kirche und das Gespräch mit Rom suchen, aber die Frage ist: Erwarten sie dass Papst und Konzilsinterpretation sich an ihrer Position orientieren oder sind sie bereit, den Papst, das Ordentlichen Lehramt der Kirche und das Konzil zu akzeptieren. Papst Benedikt hat jedenfalls deutlich gemacht, dass an der Anerkennung des Papstes als Oberstem Hirten und an den Beschlüssen des II. Vatikanischen Konzils kein Weg vorbeiführt. Er hat die Hand ausgestreckt und die Arme geöffnet. Die Ent scheidung liegt nun bei den Mitgliedern der Bruderschaft Pius X.
4. Ich blicke auf die Reaktion der jüdischen Kreise:
Die Leugnung des Holocausts ist unerträglich und wird deshalb in Deutschland auch strafrechtlich verfolgt. Die Aufregung der jüdischen Kreise über die Aufhebung der Exkommunikation von Williamson ist angesichts seiner Leugnung des Holocausts verständlich, nicht verständlich ist jedoch die Unterstellung, dass man meint, der Papst habe etwas von dem zurückgenommen, was er in der Kölner Synagoge (19.8. 2005), in Auschwitz-Birkenau (28.5.2006) und in der Generalaudienz vom 31.5.2006 über Judentum und Holocaust gesagt hat. Manche haben offensichtlich dem Papst unterstellt, dass er von den antisemisichen Anschauungen des Williamson gewusst hat.
Das Wort des Papstes in der Generalaudienz vom 28.1.2009 war meiner Meinung nach deutlich genug, ebenso die Aufforderung des Staatssekretariats vom 4.2.2009 an Williamson zum öffentlichen Widerruf. Für letzte Klarheit hat Papst Benedikt mit seinen Worten beim Treffen mit jüdischen Spitzenvertretern aus den USA am 12.2.2009 gesorgt.
Dass die Medien, dass jüdische Kreise und dass die Öffentlichkeit nicht zwischen Exkommunikation und Suspendierung unterscheiden können, verstehe ich. Um es deshalb deutlich zu sagen: Aufhebung der Exkommunikation heißt nicht Aufhebung der Suspendierung oder gar Rehabilitierung! Aufhebung der Exkommunikation heißt schlicht und einfach: Sie dürfen wieder zur Beichte gehen (nicht jedoch in ihrer Gemeinschaft, denn die Priester und Bischöfe der Piusbruderschaft sind weiterhin suspendiert), dann nach der Beichte die heilige Kommunion empfangen und sie haben wieder das Recht, kirchlich beerdigt zu werden. Beichte, kirchliche Beerdigung, wer würde das den vier Bischöfen nicht wünschen! Jede bischöfliche bzw. priesterliche Amtsausübung ist ihnen jedenfalls trotz der Aufhebung des Exkommunikation weiterhin verboten.
Der stellvertretende Vorsitzende der Französischen Bischofskonferenz Hippolyte Simon, Erzbischof von Clermont, brachte die Aufhebung der Exkommunikation auf eine einfache Formel: „Die Ampel wurde von Rot auf Gelb gestellt, sie wurde nicht auf Grün gestellt!“
5. Ich blicke auf die Reaktion in der Kirche in Deutschland:
Positiv sehe ich die klaren Stellungnahmen von Kardinal Schönborn, Bischof Fürst, Erzbischof Thissen, Kardinal Lehmann, Erzbischof Zollitsch, Kardinal Kasper, Erzbischof Schick, Bischof Müller (Auftrittsverbot für Williamson in der Regensburger Diözese), u. a. Kritik und Loyalität müssen sich nicht ausschließen (s. u.). Ich bin dankbar für die Loyalitätserklärung der Bayerischen Bischöfe Papst Benedikt XVI. gegenüber. Er ist gerade im jetzigen Augenblick auf unsere Solidarität angewiesen.
Die große Angst, die viele haben, ist, dass der Schritt auf die „Lefebvrianer“ zu einen Schritt weg vom Konzil bedeuten könnte. In diese Richtung wurde ja schon die Rehabilitierung der Alten Messe gedeutet.
Viele wünschen allerdings, den „Progressiven“ in der Katholischen Kirche u. a. möge man ebenfalls großzügig entgegenkommen.
Die Angst, dass nun das Konzil „zurückgenommen“ werde, dass gleichsam zum Rückzug geblasen werde, teile ich nicht. Der Papst steht klar zum Konzil und die Erklärung des Staatsekretariats vom 4.2. hat deutlich von den „Lefebvrianern“ die Anerkennung der Konzilsdokumente gefordert.
Trotzdem sehe ich zwei Grundpositionen, die, wenn sie starr vertreten werden, nicht miteinander in Einklang zu bringen sind: Die einen träumen von der Rückkehr zur vorkonziliaren Kirche (Rückmarsch), andere erwarten, dass das Konzil fortgeschrieben wird (Vormarsch).
Bei aller Sorge um die Gültigkeit des Konzils – die Reaktion bei uns in Deutschland auf die Aufhebung der Exkommunikation der vier Bischöfe der Piusbruderschaft hatte in meinen Augen geradezu hysterische Züge. Und viele, denen bisher angesichts des positiven Echos, das Papst Benedikt XVI. in der Kirche und in der Weltöffentlichkeit gefunden hat, die Kritik im Hals stecken geblieben war, haben nun plötzlich wieder Oberwasser und kommen aus ihren Löchern gekrochen, und viele Medien spielen mit.
6. Ich blicke schließlich auf Rom:
Da ist vieles schlecht gelaufen, konkret: so gelaufen, wie es nicht hätte laufen dürfen.
6.1. Die deutschen (ich denke an Zaitzkofen!), die schweizerischen (ich denke an Écône) und die französischen Bischöfe, die Hauptbetroffenen also, erfuhren erst durch die Medien von der Aufhebung der Exkommunikation. Sie waren also weder in den Entscheidungsprozess noch in den Informationsfluss einbezogen, ebensowenig Kardinal Kasper, der ja für den interreligiösen Dialog und damit für das Gespräch mit dem Judentum zuständig ist.
6.2. Falls es sie gibt, hat die Abstimmung zwischen den einzelnen kurialen Behörden nicht geklappt. Sie wäre aber, wie die Ereignisse gezeigt haben, lebensnotwendig, um weiteren Schaden von der Kirche fernzuhalten.
6.2. Viel Ärger hätte man sich ersparen können, hätte man die Römische Entscheidung in einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit präsentiert. Da hätte man gleich an Ort und Stelle Missverständnissen vorbeugen und auf Fragen, die sich stellen, antworten können. Insofern muss man die Art und Weise der Veröffentlichung der Aufhebung der Exkommunikation als dilettantisch bezeichnen.
6.3. Wenn der Papst von den Auffassungen eines Williamson nichts wusste, dann muss man sagen: Hätten die Vatikanischen Behörden sorgfältig gearbeitet, dann hätten sie den Papst informieren können. Im Zeitalter von Internet (Wikipedia) und Homepages kann man sich leicht ein Bild von dem machen, wo Leute stehen und welche Positionen sie vertreten. (Vgl. was Williamson sonst noch an abstrusen Ideen vertritt…). Niemand wird vom Papst erwarten, dass er selbst diesbezüglich im Internet surft. Hier ist sein Mitarbeiterstab gefordert. Und diesem Mitarbeiterstab ist der Vorwurf zu machen, dass er nicht ausreichend oder überhaupt nicht bezüglich der vier Bischöfe recherchiert hat. Man hatte wohl zu sehr immer nur Bischof Fellay im Blick. Zudem ist es eine Ärgerlichkeit, dass die römische Verlautbarung (21.1.2009) nahe dem 25.1. (25.1.1959 Ankündigung eines Konzils durch Papst Johannes XXIII.) und nahe dem Auschwitz-Gedenktag (27.1.) veröffentlicht wurde.
6.5. Als das Interview von Williamson publik wurde und von allen Seiten die Vorwürfe kamen, hätte man, meiner Meinung nach, in der Kurie viel schneller (s. unter Nr. 4) reagieren müssen.
6.6. Vorstehende Äußerungen bitte ich in dem Sinn zu verstehen: „Loyalität und Kritik gehören zusammen!“ Loyale Mitarbeiter waren für mich nicht jene, die frag- und klaglos das getan haben, was mir sinnvoll erschien, sondern loyale Mitarbeiter/innen waren für mich jene, die mit mir jeweils um eine gute Lösung und einen guten Weg gerungen haben und die auch den Mut zu einem offenen Wort hatten.
Es mag naiv oder fast zynisch klingen. Aber ich sage manchmal: Es gibt selten einen Schaden, der nicht auch einen Vorteil hat.
So sehr man den Schaden bedauert (ich frage hier gar nicht nach Schuld, Missverständnissen usw.):
Ohne die Regensburger Rede des Papstes 2006 hätte es nicht den markanten Brief der 138 islamischen Theologen an die christlichen Kirchen und andere bedeutsame Kontakte zur Welt des Islam gegeben. Zudem hat der Papst seinen anschließenden Türkeibesuch souverän gemeistert, die richtigen und die notwendigen Worte gefunden.
Das gleiche erhoffe ich auch jetzt von seinem Israel-Besuch.
Leid tut es mir um alle, die in den letzten Wochen aus der Kirche ausgetreten sind. Ob wirklich die Papstentscheidung der tiefste Grund war? Haben manche Medien in der Art ihrer Berichterstattung nicht geradezu zum Kirchenaustritt eingeladen? Ich jedenfalls sage für meine Person: So sehr ich unseren Papst verehre und unseren Bischof schätze, ich bin nicht Glied dieser Kirche wegen dieses Papstes oder wegen dieses Bischofs, sondern wegen Jesus Christus und seiner Botschaft. Und ich hoffe, dass es die Menschen, was mich betrifft und wo ich als Priester tätig war und tätig bin, ähnlich sehen können.
Schließen möchte ich mit einer Bitte: Was der Papst und was die Kirche in diesen Tagen und Wochen noch notwendiger denn je braucht, ist unser Gebet und unsere Solidarität.