Prof. Achim Buckenmaier zelebrierte am 31.12.2024, dem 2. Jahrtag des Heimgangs von Papst Benedikt, in der Wallfahrtskirche „Mutter mit dem gütigen Herzen“ in Waghäusel eine Heilige Messe, die von Radio Horeb übertragen wurde.
Predigt zum Nachhören
Predigt im Wortlaut:
Liebe Schwestern und Brüder, hier in der Wallfahrtskirche in Waghäusel und alle, die jetzt zu Hause sind oder wo auch immer und diesen Gottesdienst mit uns feiern.
Die beiden biblischen Texte, die für diesen siebten Tag in der Weihnachtsoktav, den 31. Dezember, ausgesucht sind, haben es in sich. Sie sind eigentlich größer als man es für einen Werktag erwartet, auch wenn es der letzte Tag des bürgerlichen Kalenders ist.
Die Lesung aus dem ersten Johannesbrief spricht von einer „letzten Stunde“, von Irrlehrern, die Johannes als Antichristen, also als Gegenentwurf und Widerrede gegen Jesus bezeichnet.
Der Brief ist also eine Art Brandbrief an eine Gemeinde von Christen, die nicht von außen, sondern von innen verwirrt und bedroht sind.
Der erste Johannesbrief antwortet auf diese Situation, indem er den Christen noch einmal die Geschichte Jesu erzählt und sie daran erinnert, dass die Erkenntnis Gottes und das Bleiben in der Wahrheit nicht eine Frage des abstrakten Wissens ist, sondern eine Frage der Verwirklichung, ob man die Gebote Gottes kennt und tut.
Und dann ist da im Evangelium der Johannesprolog, der Anfang des Johannesevangeliums mit dem berühmten Vorwort. Johannes spricht eine fremde Sprache. Nicht mehr die der anderen Evangelisten, die von der Geburt Jesu, von den Hirten, den Engeln, den Sterndeutern erzählen und dann von den Worten und Wundern Jesu. Hier ist vom „Wort“ die Rede, das Jesus selbst ist.
In diesen wenigen Sätzen des Vorworts zu seinem Evangelium zeichnet Johannes praktisch den Lebensweg Jesu nach. „Er kam, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf“ – da ist schon das ganze Drama der Passion und des Todes Jesu gesagt. Der Prolog erzählt also die Geschichte Jesu in eigener Sprache.
Und er gibt gleich mit den ersten Worten einen Hinweis, dass diese Geschichte nicht erst mit dem kleinen Kind Jesus in der judäischen Stadt Bethlehem begonnen hat, sondern mit dem Beginn der Welt selbst und mit der Geschichte, die Gott mit dem jüdischen Volk eingegangen ist. „Im Anfang war das Wort“ – jeder Hörer und jede Leserin konnte damals sofort den Anfang der Heiligen Schrift überhaupt wiedererkennen: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde…“
Johannes will so sagen, dass Gott noch einmal ansetzt, mit dieser Geschichte Jesu und dass dessen Geschichte die Qualität des Anfangs der Schöpfung hat.
Und dann gibt es als zweites dieses Wort, das ja in jedem Gebet des „Engel des Herrn“ zitiert wird: „Und das Wort ist Fleisch geworden.“
Auch hier dasselbe Prinzip Gottes: Er kommt nicht mit einer neuen Idee oder einem neuen Vorschlag, die Welt aus der Not und der Verfehlung zu befreien. Er setzt auf einen Menschen, auf eine Person, auf das Wort, das Mensch wird. Damit übersetzt Johannes alles, was die anderen Evangelisten mit ihren Geburtserzählungen sagen wollen. Gottes Eingreifen kann nur an einer bestimmten Stelle geschehen, nach einer langen Geschichte, in Bethlehem im jüdischen Land. Und zur Welt kommt ein jüdisches Kind.
Das bleibt ein unauslöschliches Signum des christlichen Glaubens, der eben keine Weltanschauung ist, die irgendwo ausgedacht wurde, sondern die Frucht der Geschichte Gottes mit seinem Volk. Das wird uns immer auf dieses jüdische Volk und sein Land verweisen.
Das dritte, was Johannes hervorhebt: dieses Wort, das Fleisch geworden ist, hat – wie er sagt – unter uns gewohnt.
Die deutsche Übersetzung gibt nicht genau wieder, was Johannes in der griechischen Sprache sagt. Er sagt wörtlich: „Und hat unter uns gezeltet.“
Und auch da haben alle Leser zur Zeit des Evangeliums sofort verstanden, dass in Jesus der Gott Israels gegenwärtig ist, so wie er es im wandernden Volk in der Wüste im Offenbarungszelt war, in dem an jeder Station, an jedem Rastplatz, die Bundeslade mit den Geboten Gottes aufgebaut wurde.
Mit Jesus ist nicht ein neuer Religionsstifter und Reformer auf der Weltbühne erschienen, wie es unzählige gibt. In ihm ist das Herabsteigen Gottes, das am Sinai und im Offenbarungszelt in der Wüste immer wieder erfahren wurde, verdichtet, Person geworden. Dieses Offenbarungszelt in der Wüste wird auch Zelt der Begegnung genannt, ohel mo‘ed. Es ist der Ort, an dem Israel der Gegenwart und Herrlichkeit Gottes gewärtig wird, der Begegnung mit ihm, und der so auch zur Sammlung des Volkes wird, zur Begegnung der Menschen.
Heute denken wir in dieser Eucharistie besonders an Papst Benedikt XVI., der am 31. Dezember vor zwei Jahren heimgegangen ist.
Wenn man auf sein theologisches Werk schaut, auf seine Verkündigung als Theologe, Bischof, Papst, dann sieht man leicht, wie sehr er immer wieder auf diese durchgehende Geschichte Gottes hingewiesen hat, auf die Geschichte, die in Israel begonnen und die uns heute erreicht hat. Und Gott hat diesen einmaligen Anfang nicht aufgegeben, er hat Israel nicht enterbt. Vielmehr sind wir dieser Geschichte hinzugefügt worden.
Die Bibel erzählt unzählige Namen, die Träger dieser Geschichte waren, von Abraham und Sara an, über Moses und Mirjam, Ruth, David, bis hin zu Jesus.
In seiner ersten Enzyklika Deus caritas est von 2005 hat Benedikt XVI. gleich am Anfang etwas Wichtiges gesagt. Da schreibt er: „Am Anfang des Christseins steht nicht ein ethischer Entschluss oder eine große Idee, sondern die Begegnung mit einem Ereignis, mit einer Person.“
Diese Person ist Jesus. Und wenn am Anfang eine Person steht, dann steht auch auf dem Weg des Christseins nicht deine Idee, nicht Vorstellungen, Pläne, Strategien, sondern Personen. Nicht das Geld der Kirche, nicht Konzepte, kluges Management und geschickte Medienarbeit bringen das Wort, das Jesus ist, in die nächste Generation, sondern nur Menschen, Personen, die sich real zusammentun, um ihm einen Platz in der Welt zu geben und ihn ihr Leben formen und verändern lassen.
In den Jahren seines Pontifikates hat Benedikt XVI. hunderte von sogenannten Mittwochsaudienzen auf dem Petersplatz oder in der Audienzhalle gehalten.
Papst Johannes Paul II. hatte schon begonnen, in den Mittwochsaudienzen die Psalmen auszulegen, einen Psalm nach dem anderen. Und Benedikt XVI. hat 2005, als er gewählt wurde, diese Reihe fortgeführt bis zum Schluss der Psalmen, zum 150. Psalm.
Aber dann hat er etwas Neues begonnen: An jedem Mittwoch hat er über eine Person der Heilsgeschichte gesprochen: angefangen mit den Aposteln, dann den Jüngern, den Männern und Frauen der apostolischen Zeit, den Theologen, den Ordensgründerinnen, heiligen Männern und Frauen, bis ins Mittelalter hinein. Ein Jahr lang hat nur über Paulus geredet. Jeden Mittwoch eine kleine Lektion, eine Etappe aus der Kirchengeschichte.
Ich bin selber oft vorbeigefahren auf dem Weg zur Uni, habe einfach ein wenig reingehört, was der Papst sagt und dann später die ganze Ansprache nachgelesen. Es war wirklich bewegend: So viele Menschen, die einfach hören wollten und aufmerksam waren für eine vernünftige, aufgeklärte verständliche Theologie der Geschichte der Kirche.
Es waren Sternstunden der Katechese in der Kirche. Die Leute, 20-, 30.000 sind nicht deswegen gekommen, um Fähnchen zu schwenken und Fotos zu machen. Sie kamen, um zu hören, weil sie gemerkt haben: Da ist einer, der kann uns aufschließen, was diese Zeit bedeutet für die Kirche.
Zum ersten Mal hat ein Papst die Geschichte des Glaubens nicht als eine Ideengeschichte, nicht als eine Papstgeschichte oder Dogmengeschichte erzählt, sondern als Geschichte von Personen. Weil diese Menschen eine Lebensweise realisiert haben und so Träger des Glaubens waren, nicht Dozenten einer Lehre oder Angestellte einer Weltanschauung.
Jetzt sind wir diese Personen, jeder und jede von uns, wir gemeinsam. Um Jesus diesen Platz zu geben, braucht man eigentlich nichts, jedenfalls keine höheren Weihen, Kompetenzen und Ämter. Man kann es tun, egal ob man ans Haus oder ans Bett gebunden ist oder als Leichtathlet durch die Welt sprintet oder jeden Tag einen ausfüllenden Beruf hat. Man kann zu diesen eingesammelten Personen gehören, indem man sich im Gebet mit der Kirche verbindet und mit den Nöten und indem man, wenn man kann, selber mitsammelt in der Kirche, das Miteinander der Glaubenden mehr sucht als das Eigene.
Danke, Papst Benedikt, dass du uns vieles gelehrt hast, auch, dass wir zu einer Begegnung gerufen sind mit dem, der unter uns zeltet, und so mit denen, die Gott uns gegeben hat in seinem Volk.
7. Tag der Weihnachtsoktav, 31. Dezember 2024 | Waghäusel Mutter mit dem gütigen Herzen
Lesung: 1 Joh 2,18-21 Evangelium: Joh 1,1-18
Prof. Dr. Achim Buckenmaier