Fotos: ©Michael Hofmann
„Wenn die Ekklesiologie der Kirche als Familie Gottes sich nicht mit einem formellen Verweis auf den trinitarischen Gott begnügen will, so muß sie die christologische Vermittlung des Zugangs zu dem Gott finden, der uns mitten in der Geschichte erlöst hat und der uns – Mann und Frau, Reich und Arm, Christen und Nichtchristen – zusammen in Frieden das soziale Netz bewohnen lässt, jenes gemeinsame Wir der einen und selben Humanität, die die Berufung hat, Familie Gottes zu werden.“
Die Kirche in Afrika und die Neuaufnahme der Mission seit dem Vatikanum II.
Bericht von Prof. Dr. Barthélemy Adoukonou beim Treffen in Castelgandolfo 2009
Ich wurde gebeten, einen knappen Bericht von der missionarischen Erfahrung Afrikas zu bieten. Ich werde ihn unter dem Blickwinkel der Wiederaufnahme der Mission vorlegen, und zwar ausgehend vom Zweiten Vatikanischen Konzil.
Aber um der Wahrheit des Berichtes willen ist es angemessen, auf seine Grenzen zu verweisen. Der Erzähler, der ich bin, gehört zum epistemologischen Horizont der afrikanischen Theologie der Inkulturation, und der Blick ist der des Generalsekretärs von einer unter den zehn Regionalkonferenzen des Kontinents, nämlich der Bischofskonferenz von Westafrika, CERAO.
Drei apostolische Paradigmen – Kultur, Gesellschaft, Geschichte – sind seit etwa fünfzehn Jahren in der theologischen Reflexion der Kirche Afrikas allmählich aufgetaucht. Sie bezeugen die Fruchtbarkeit der Institution der Bischofssynode, und besonders der kontinentalen Bischofssynoden, für die Mission der Kirche in unserer Zeit. In der Tat, ihr Erscheinen beginnt mit der ersten Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika (1994), welche seit dem Konzil das bedeutsamste Ereignis für die Mission der Kirche in Afrika ist. Wir werden diese Paradigmen in unserem Bericht benützen. Sie werden zeigen, dass die Zurkenntnisnahme der Grenzen auch eine Quelle von Fruchtbarkeit sein kann.
In diesem Rahmen wird mein Bericht eine Präsentation der heutigen Mission der Kirche als Familie Gottes in Westafrika sein.
Ich werde zunächst zeigen, wie diese Kirche aus einer Situation, in der sie Objekt der Mission war, zu einer Kirche wurde, in der sie selbst Subjekt ist.
Wir sehen nachher, was für Areopage es gibt, die von der Vitalität der afrikanischen Kirche heutzutage Zeugnis geben.
Danach skizziere ich, wie der westafrikanische Episkopat sich organisiert, um die Mission zu realisieren.
Ich schließe ab mit der härtesten Debatte der Mission in unserer Zeit: dem interreligiösen Dialog.
I – Von einer Kirche als Objekt der Mission zu einer Kirche als Subjekt der Mission
Das Konzil hat es uns gelehrt, und wir haben es theoretisch zur Kenntnis genommen: Wir alle sind zugleich Objekt und Subjekt der Mission (cfr. Ad Gentes). Paul VI. seinerseits hat bei seinem apostolischen Besuch in Kampala anlässlich der Gründung des Symposiums der Bischofskonferenzen von Afrika und Madagaskar (SECAM- SCEAM) zwei berühmte Worte ausgesprochen: „Ihr Afrikaner seid von jetzt an eure eigenen Missionare!“, und „Ihr habt Recht, eine afrikanische Kirche zu haben.“ Trotzdem mussten wir noch ein Vierteljahrhundert warten, bevor der ekklesiale Akt gelegt wurde, der kundgibt, dass die Kirche in Afrika diese Reife erreicht hat, die Paul VI. und nach ihm Johannes Paul II. ihr zugeschrieben haben.
Während dieser Synode von Ostern 1994 hat die Kirche in Afrika zusammen mit dem Papst einen Akt der Inkulturation gelegt, der bedeutet, dass das Werk, zu dem die Missionare gesandt worden waren, kein imperialistisches Werk war, das man den militärischen bzw. kaufmännischen Unternehmungen des Westens zuordnen könnte.
Die afrikanische Kirche ist sich wohl bewusst, dass sie die konkret-historische Frucht des brennenden missionarischen Eifers und der leidenschaftlichen Liebe von Aposteln zu Christus ist, die mit dem Vater im Glauben Abraham wetteiferten. Wie er waren sie ausgezogen, um in ein verheißenes Land zu kommen, das sie nur wie Mose von ferne sahen und grüssten. Dieses Land, das Gott ihnen geben wollte, ist nicht anderes als die künftige afrikanische Kirche.
Als diese Kirche, auf die sich die missionarische Sehnsucht von Männern wie Melchior Marion de Brésillac, Libermann, Lavigerie, Arnold Janssen… gerichtet hat, sich zum ersten Mal in der Öffentlichkeit äußerte, hat sie sich unter dem Bild der Familie Gottes vorgestellt.
Wie man weiß, hat die Kirche im Westen inzwischen zwei ekklesiologische Zugänge gefunden – Volk und Communio -, die nach der Diagnose des Heiligen Vaters noch als Kardinal nicht streng theologisch sondern soziologisch, bzw. philosophisch verstanden wurden und so das Mysterium Gottes verschleiert haben. Was nach unserer Auffassung die theologische und spirituelle Authentizität unserer Gründerväter bezeugt, das ist die spirituelle Eigenständigkeit der Kirche, die aus ihrem Glaubenseinsatz erwachsen ist. Diese Kirche, die im ersten Dezennium des 20. Jahrhunderts sich die kulturelle Forderung der schwarzen Völker zu eigen gemacht hatte, hat die anthropologische Vision Afrikas, welche die Familie als Matritze hat, zur Begegnung mit dem christlichen Mysterium Gottes, mit der Heiligsten Dreifaltigkeit geführt. Die Kirche, die sich am Ende der apostolischen Mühen unserer missionarischen Väter abzeichnet, ist ein Lobpreis der theologischen Wahrheit des Auszugs aus ihrer Heimat.
So hat das Paradigma der Kultur im Apostolat den Akt einer außerordentlich bedeutsamen Inkulturation ermöglicht, der von der christlichen Authentizität unserer Väter Zeugnis gibt.
Freilich begnügt sich die afrikanische Theologie der Inkulturation damit noch nicht. Seit der Wallfahrt von SCEAM nach Gorée (2003) rechnet sie darüber hinaus mit dem Paradigma Geschichte. Die afrikanischen Bischöfe haben das „Heiligtum des Leidens des schwarzen Menschen“ (dies ist der Name, den Johannes Paul II. dem „Haus des Sklaven“ in Gorée gegeben hat) mit der Entscheidung verlassen, die Bedeutsamkeit der Geschichte für die Pastoral zur Kenntnis zu nehmen. Die afrikanische Theologie der Inkulturation, die diese Pastoral begleiten wird, hat sich von da aus als eine Theologie präzisiert, die die Kirche als Familie Gottes nicht abstrakt und statisch betrachtet, sondern ausgehend von der historischen Verwundung dieses anthropologischen Schemas. Sie wird in dynamischer Suche zu einer Theologie der Brüderlichkeit Christi die Geschichte hindurch. Die Christologie des Menschen Jesus als Bruder zeigt sich als der Ort der Wahrheit der trinitarischen Theologie.
Die Kirche Afrikas, die bei der Wallfahrt nach Gorée ihr Gedächtnis gereinigt hat und rein halten will, ist sich wohl bewusst, dass das Gedächtnis der wirkmächtige Schmelztiegel der Identität, wie es Paul Ricoeur bei einem Symposium mit Papst Johannes Paul II. hier in Castelgadolfo selbst 1994 zum Ausdruck gebracht hat: „Das Gedächtnis ist das Vermögen, das die Identität menschlicher Wesen auf der persönlichen wie auf der gemeinschaftlichen Ebene formt. In der Tat formt und definiert sich in der Psyche der Person die Wahrnehmung ihrer Identität.“
Nachdem die Kirche in Afrika das dreifache Bekenntnis der Schuld abgelegt hat – nämlich die Schuld des Verkaufs, die Schuld des Kaufs und die Schuld der Rache -, will sie die Pastoral einer Renaissance des Schwarzen Menschen verwirklichen. Sie liest die Geschichte des Handels und der Sklaverei neu und erzählt sie als confessio laudis (lobpreisendes Bekennen), die (das) nur der Sklave, der wirklich befreit ist, auszusprechen vermag.
Die geschichtliche Wahrheit unter ihrer doppelten Sicht – der negativen wie der positiven – kann befreiend sein. Das lange Sklaventum der schwarzen Menschen ist eine wichtige Gegebenheit der menschlichen Geschichte. Aber es ist auch ein Faktum der Geschichte, dass zahlreiche missionarische Gesellschaften entstanden sind, die sich der Evangelisierung Afrikas und der endgültigen Abschaffung des Sklaventums und auch der Befreiung der Schwarzen gewidmet haben. Unter deren Vorkämpfern bleiben herausragende Figuren wie Petrus Claver und Comboni unvergesslich.
Die Kirche als Familie Gottes, die sich als dynamische Bruderschaften Christi in Communio verwirklicht, ist die Kirche des messianischen Gottesvolkes, das Zeit und Ort hinweg die dreifache messianische Funktion vollzieht, nämlich die eines Priesters, Propheten und Königs.
Als solche hat sie 15 Jahre hindurch die großen Herausforderungen der Evangelisierung, die die erste afrikanische Synode von Ostern 1994 hervorgehoben hat, verwirklicht: Inkuluration, interreligiöser Dialog, Gerechtigkeit und Friede – Entwicklung, soziale Kommunikation.
Die MissioDei (Sendung Gottes), die historisches Ereignis des Heils in Jesus Christus geworden ist, verlangt eine Aufnahme durch die Kirche als Sakrament des Heils mitten in der Geschichte und in der Gesellschaft.
( Die Kirche in Afrika hat gut verstanden, was Paul VI in EN(Evangelii nuntiandi) nr. 19 geschrieben hat:“Es geht nicht nur um eine Verkündigung des Evangeliums in den immer weiteren geographischen Bereichen oder an immer zahlreicheren Völkerschaften, sondern auch darum, dass man mit den Kräften des Evangeliums die Kriterien…erreicht und geradezu umstürzt.“ Die so eröffnete Perspektive drängt sich in dem Augenblick auf, in dem die Globalisierung und die modernen Kommunikationsmittel den Planeten zu einem Dorf zusammengezogen hat. Der physische Kontakt wird unersetzbar bleiben, doch nichtsdestoweniger beeinflusst die planetarische Kontraktion die Modelle des Menschseins, und die soziale Kommunikation soll zum Werkzeug Christi, des „Kommunikators im eminenten Sinn“ werden. (Schlussbotschaft der Synode von 1994, nr. 47).)
II.- Einige Areopage und Herausforderungen
Von da aus können wir einige Areopage der Sendung zur Evangelisierung nennen, wie sie in der pastoralen Bemühung der Kirche in Afrika in Erscheinung treten:
1/ Die Kommunikation: Die modernen Mittel der sozialen Kommunikation (Radio, Fernsehen, Internet…) dringen bis in den innersten Raum der Häuser ein und provozieren eine Veränderung der Kultur. Wir haben keine andere Wahl als sie selber zu beherrschen und sie zu Werkzeugen der anthropologischen und gesellschaftlichen Vision zu machen, die aus der Begegnung mit Christus und dem trinitarischen Gott sich ergeben, nach dessen Bild wir geschaffen sind. In diesem Bereich hängen wir weit zurück.
2/ Die weite afrikanische Familie: Sie ist der zweite Areopag, der direkt nach der Kommunikation die zweite Stelle einnimmt angesichts der epochalen Wahl, die wir getroffen haben, die Kirche als Familie Gottes aufzubauen. Die kernhafte christliche Familie in Afrika muss unbedingt ihre Verantwortung für die Evangelisierung der weiten afrikanischen Familie wahrnehmen, weil diese der Ort ist, aus dem die ganze traditionelle religiöse Ritualität erwächst. Andernfalls besteht die Gefahr, dass man das ganze Potenzial verliert, um die menschliche Umwelt in den Leib Christi hinein zu verwandeln.
3/ Die westliche postmoderne Gesellschaft: führt gegen Afrika den Kampf eines Goliath, in den Afrika nur prophetisch eintreten kann wie ein unerschrockener, vor allem aber in Gott verwurzelter David.
4/ Die Migration: Angesichts des Dramas der Migration, der sich in Tragödien verwandelt, wenn Menschenleben in der Sahara-Wüste oder im atlantischen Ozean verloren gehen, plädiert die Kirche in Afrika gewiß für das Recht zur Migration, besonders aber plädiert sie für das Recht, ein wohnbares Afrika, nämlich gut gestaltete und regierte afrikanische Nationen, in denen sozial gerechte, solidarische und friedliche Beziehungen bestehen.
5/ Die Strukturen von Erziehung und Ausbildung: Wie die Kirche im Westen im Mittelalter die Universität geschaffen hat, sollte heute die Kirche in Afrika die rechte Verbindung von Universität und afrikanischer Gesellschaft erfinden. Es ist in der Tat offenkundig, dass Afrika nur die Universität des Westens kopiert hat, ohne ihre soziale Funktion zu durchdenken. Das Ergebnis ist die massive qualitative Migration der am besten ausgebildeten Führungskräfte Afrikas: Über diejenigen hinaus, die schon in entwickelten Ländern integriert sind, verlassen mehr als 70.000 kompetente Afrikaner um des Westens willen Afrika, da ihre Bildung sie nicht darauf vorbereitet hat, für die Arbeitsbeschaffung in den zurecht so genannten unterentwickelten Ländern zu sorgen (vgl. Agentur Fides).
6/ Gesellschaftliche Probleme: Die Kirche in Afrika sollte sie in Angriff nehmen, indem sie die Laien gut ausbildet, die die verwandelnde Präsenz (Sauerteig, Salz und Licht) der Kirche inmitten der zeitlichen Realitäten sind. Es ist himmelschreiend, wie die Ausbildung der Laien hinter der Soziallehre der Kirche zurückgeblieben ist. Die Bischöfe von Afrika haben dies bei der Synode von 1994 zur Kenntnis genommen und haben zugegeben, dass sie ihre Pflicht zur Ausbildung der Laien nicht vollständig erfüllt haben.
Man könnte diese Liste von Areopagen und Herausforderungen weiterführen. Aber notieren wir nun ganz einfach, wie ein Episkopat wie es der westafrikanische sich organisiert hat, um sich den Herausforderungen der Evangelisierung zu stellen.
III. Struktur der Regionalen Bischofskonferenz von Westafrika (CERAO) –
ekklesiales Subjekt als Akteur der Geschichte
Zu Beginn des neuen Millenniums hat die westafrikanische Kirche über Ecclesia in Africa (EIA), das Schreiben der Glaubenskongregation Communionis notio, das Motu proprio Apostolos Suos und das Apostolische Schreiben Novo Millennio Ineunte gründlich nachgedacht. Sie hat sich für eine strategische Planung ihres missionarischen Apostolats eingesetzt. Daraus ging ein strategischer Aktionsplan hervor, in dem das ekklesiale Subjekt CERAO es unternimmt, den Weg zur Heiligkeit zu beschreiben und eine Vision, eine Mission, strategische Ziele und schließlich den Rahmen von Ergebnissen zu entwickeln – zusammen mit Schlüsselresultaten, untergeordneten Resultaten, Hypothesen und Indikatoren, an denen man ablesen kann, welches Ziel erreicht ist.
Hier ist das Organigramm, gemäß dem die Bischofskonferenz der Kirche als Familie Gottes, bzw. Messianisches Volk, sich in Westafrika organisiert hat:
Das Bewusstsein, eine Kirche zu sein, die gesandt ist, den Heilsplan Gottes zu aktualisieren, hat an Stärke gewonnen; die verschiedenen Bischofskommissionen haben, von Experten unterstützt, an die Arbeit gemacht und etwa zwanzig Handreichungen für die Diözesen und nationalen bzw. interterritorialen Bischofskonferenzen anzubieten.
1/ Aktionsplan von CERAO – Triennium 2000-2003 (Oktober 2001)
2/ Vademecum für die Inkulturierung in der Liturgie (Februar 2003)
3/ Vademecum für die Erneuerung der Katechese: Von der anfanghaften
Bekehrung zur Reife des Glaubens (Februar 2003)
4/ Gorée 2003: Reinigung des afrikanischen Gedächtnisses – Die Kirche
Familie Gottes bittet um Vergebung (Dezember 2003)
5/ Zweiter Aktionsplan von CERAO 2003-2009 (März 2004)
6/ Praktischer Leitfaden für ein biblisches Apostolat (August 2006)
7/ Die Akten des missionarischen Kongresses des Bereiches von CERAO
(November 2006)
8/ Fahr auf die hohe See hinaus! …Für eine verantwortungsbereite Laienschaft in der
Kirche Familie Gottes in Afrika (Dezember 2006)
9/ Heilung des Stammbaums (Juni 2007)
10/ Das Drama der Migration (Juli 2007)
11/ Die Kirche Familie Gottes: Sakrament des Heils und Ort der Neuen Bruderschaft
für die afrikanischen Gesellschaften (Juli 2007)
12/ Der Zweiten Afrikanischen Synode entgegen (August 2008)
13/ Christentum und afrikanische Bestattungsriten (September 2008)
14/ Schluß mit der Korruption!… Entwickle deine Heimat! (Oktober 2008)
15/ Die Laienschaft organisiert sich (Dezember 2008)
16/ Die Familie und die gesunde Nachkommenschaft (Januar 2009)
17/ Versöhnung, Gerechtigkeit und Friede in Afrika (Januar 2009)
18/ Arbeit, Unternehmen, Entwicklung (Mai 2009)
19) Vorschläge für die Zweite Afrikanische Synode ( Juli 2009)
Andere Akteure der Mission
Wie die CERAO sich als ekklesiales Subjekt für die Evangelisierung organisiert hat, so hat sie auch den Klerus, die Ordenschristen und die Laienschaft angestoßen, sich im regionalen Bereich zu strukturieren. So haben wir:
Das permanente Sekretariat des afrikanischen Klerus (SPCAO)
Die regionale Vereinigung der Konferenzen der Höheren Obern/Oberinnen von Westafrika (URCAO)
und Anima Una
Regionale Koordination der Laienschaft Westafrikas (CRLAO)
IV – Im Zentrum der theologischen Debatte der Mission: die Position von CERAO
Die entscheidendste missionarische Frage ist nicht die, die aus der Spannung zwischen dem Paradigma Kultur und dem Paradigma Gesellschaft hervorgeht und die die beiden großen theologischen Orientierungen in Afrika ergeben hat, nämlich die afrikanische Theologie der Inkulturation und der afrikanischen Theologie der Befreiung. Und auch wenn die Inkulturationstheologie die Debatte vertieft hat, indem sie die Notwendigkeit der Vermittlung der Geschichte vor dem Hintergrund der Anthropologie und der Soziologie zur Geltung bringt, bleibt der Kern der Debatte der Mission doch der interreligiöse Dialog.
Die Theologie der Inkulturation hat zwar die größte Nähe zur Grunddebatte der Mission aufgrund der Notwendigkeit des Respekts vor den Kulturen und aufgrund des interkulturellen Dialogs. Sie muß aber von der Theologie der Religionen und dem damit verbundenen Dialog unterschieden werden.
Wenn die Ekklesiologie der Kirche als Familie Gottes sich nicht mit einem formellen Verweis auf den trinitarischen Gott begnügen will, so muß sie die christologische Vermittlung des Zugangs zu dem Gott finden, der uns mitten in der Geschichte erlöst hat und der uns – Mann und Frau, Reich und Arm, Christen und Nichtchristen – zusammen in Frieden das soziale Netz bewohnen lässt, jenes gemeinsame Wir der einen und selben Humanität, die die Berufung hat, Familie Gottes zu werden.
Der Dialog mit der RTA (der Religion traditionelle africaine)
Auf der elementarsten Ebene des Dialogs mit der RTA ist heute in Afrika der interreligiöse Dialog, der zusammengehen muß mit dem interkulturellen Dialog, gezwungen, das Kulturelle und das Kultische zu unterscheiden. Es gibt zahlreiche afrikanische Intellektuelle, die aus einem nationalistischen Grund geneigt sind, die Glaubensüberzeugungen und traditionellen Riten nicht in Frage zu stellen, sondern zu fördern, mit denen der Afrikaner die Verstorbenen umgibt bis zu deren Verwandlung in „geliebten Andenken“, die kultisch verehrt werden wie z.B. die Vodun in Benin. Wenn wir in Afrika keine synkretistischen Kirchen erstehen lassen wollen wie es in Haiti mit der Vermischung von Vodun und Heiligen der Fall ist, wie auch in Brasilien mit der Vermischung von Candomblé und Heiligen, so ist es notwendig, dass die Kirche die Inkulturation ernsthaft in die Hand nimmt, das Positive in der Kultur wahrnimmt und das, was im Kultischen mit dem Glauben nicht kompatibel ist, ausschließt.
Der Dialog mit dem Islam
Er bleibt in mehreren Ländern Afrikas schwierig. Aber ohne von der Verkündigung Christi als des einzigen und universalen Heilsmittlers etwas wegzunehmen, bleibt es doch möglich, dass wir einen Trialog zugunsten einer Kultur des Friedens unter Christen, RTA und Moslems führen. In diesem Sinn hat CERAO schon einen positiven Trialog geführt und ist im Stande, auf der regionalen Ebene ein Forum des Trialogs für die Erforschung der Eigenschaften der Kultur Afrikas einzurichten, um diese kulturellen Eigenschaften als Beitrag zu einer Zivilisation des Friedens der Welt anzubieten. Der radikale Islamismus bleibt freilich ein permanentes Risiko.
Es ist nicht möglich, hier über die theologische Debatte des religiösen Pluralismus zu schweigen. Aber es ist auch unmöglich, sie von Grund auf zu behandeln. Beschränken wir uns darauf, einfach zu sagen, dass die Kirche in Afrika sich der missionarischen Aufgabe widmet, indem sie ihre Berufung ganz und gar als Heilssakrament für alle Menschen, und auch für den schwarzen Menschen, zu verwirklichen sucht. Sie hängt zutiefst der am Anfang des Millenniums von der Glaubenskongregation verkündigten Lehre an, nämlich der Lehre über Dominus Jesus (Jesus den Herrn) als den einen und universalen Vermittler des Heils, ohne den anderen Menschen von vorneherein das Heil zu verneinen. Für sie verlangt die universale Präsenz des Heiligen Geistes keine Notwendigkeit eines asarkos Logos, wie es der französische Theologe J. Dupuis vorgeschlagen hatte. Die universale Präsenz des Geistes kann nicht von dem österlichen Mysterium Jesu getrennt werden. ( vgl. G.S. 22; RM 10). Jeder interreligiöse Dialog, der sich echt theologisch versteht, muss sich ernsthaft mit einer entscheidenden Frage befassen, nämlich der Frage des Namens Gottes, der für uns der Vater unseres Herrn Jesus Christus ist, des Gesandten, des Verkünders des universalen Heilswillens Gottes. Jeder Mensch kann durch Wege, die Gott allein kennt, mit dem österlichen Mysterium verbunden sein. Aber die Kirche bleibt das universale Sakrament, das Christus in der Welt durch den Heiligen Geist hinterlassen hat, bevor er zum Vater zurückgekehrt ist. Die missionarische Hauptaufgabe der Kirche besteht darin, dieses Sakrament zu sein. Sie verwirklicht diese Aufgabe in der Kraft des Heiligen Geistes, der der Ursprung der Mission ist. Die afrikanische Kirche tritt in Dialog aus der innerlichen Grundüberzeugung, dass Gott sich mit dem Gekreuzigten und Auferstandenen Jesus identifiziert hat. Was die Phänomenologie der Religion offenbart und Van der Leuew so klar formuliert hatte, bleibt mehr denn je im Herzen des interreligiösen Dialogs: „Alle Religionen sprechen von Gott bis zu dem Tod und nach dem Tod. Aber nur das Christentum spricht von Gott im Tod.“ Wir können nicht darauf verzichten, dieses christliche Spezifikum zu verkündigen, wenn wir in einen wirklichen Dialog eintreten wollen. Der Missionar verkündigt dieses Spezifikum als Heil der Welt. Die afrikanische Kirche lebt von diesem Heil und möchte es in die Welt tragen.