1 W. FREYTAG, Reden und Aufsätze, Teil I (Theol. Bücherei 13/I), München 1961, S. 111 – 120. 111.

2 Symptomatisch wurde dies in den Reaktionen offenbar, welche im Juni d. J. die Ermordung von christlichen Sozialhelfern im Jemen Ländern fanden. Ihnen wurde nämlich vorgeworfen, sie hätten dort Mission betrieben, und nversehens galten im Urteil der Medien die Opfer nicht etwa als Märtyrer, sondern als die eigentlich Schuldigen! (entsprechende Äußerungen sind zusammengestellt
in idea Spektrum Nr. 27 1. Juli 2009)

3 In seinem Rechenschaftsbericht vor der1999 in Leipzig tagenden Synode der EKD beschrieb
der Direktor des Evangelischen Missionswerkes Klaus Schäfer die innerkirchliche Kritik an der Mission wie folgt: „Zum zweiten können die Bekenntnisse der Kirchen zur Mission nicht darüber
hinwegtäuschen, daß es in Gemeinden und auch in der Pfarrerschaft erhebliche Vorbehalte gegen Begriff und Sache der Mission gibt. Die Vorwürfe reichen dabei vom Hinweis auf die Verquickung
der Mission mit dem neuzeitlichen Kolonialismus bis zum Vorwurf der Kulturzerstörung und des ‚geistlichen Hausfriedensbruchs’.“

4 Siehe hierzu meinen kritischen Bericht über die Vorgänge in der Missionssektion der Konferenz:
Humanisierung – einzige Hoffnung der Welt MBK-Verlag Bad Salzuflen 21970

5 Der lutherische Dogmatiker Peter Brunner hat diese Krise 1968 treffend mit den Worten gekenn-
zeichnet, daß „die Grundlagen des missionarischen Dienstes in der ganzen Christen heit bis in die letzten Fundamente hinein wie unter einem Erdbeben chwanken. … Wenn nicht alles täuscht, gehen wir einer ungeheuren theologischen Verharmlosung der issionarischen Grundsituation entgegen derart, daß eine Verkündigung als Rettungsruf an eine verlorene Menschheit unmöglich gemacht wird, ja geradezu als eine abstos-
sende Anmaßung erscheinen muß.“

6 Abgedruckt und kommentiert in P.. BEYERHAUS: Krise und Neu-
aufbruch der Weltmission S. 3-80.

7 Bezeichnend ist, dass die auf eine bald 200jährige Tradition zurückblickende Evangelische Missions-Zeitschrift nach vielen Namenswechseln nunmehr den Titel trägt :“Zeitschrift für Interkulturelle Theologie“.

8 Andererseits gibt es seit einigen Jahren angesichts des Vordringens des Säkularismus auch Anzeichen für ein Umdenken: Beispielsweise hat sich die EKD-Synode 1999 in Leipzig mit großer Einmütigkeit zu Mission und Evangelisation als unverzichtbarer und zentraler Aufgabe der Kirche bekannt.

9 So klagt z. B. die Erklärung DOMINUS JESUS (4) „Die immerwährende missionarische
Verkündigung der Kirche wird heute durch relativistische Theorien gefährdet, die den Pluralismus nicht nur de facto, sondern auch de iure (oder prinzipiell) rechtfertigen wollen. In der Folge werden Wahrheiten als überholt betrachtet, wie etwa „der endgültige und vollständige Charakter der Offenbarung Jesus Christi“, die Einzigkeit und Heilsuniversalität Jesu Christi und die universale Heilsmittlerschaft der Kirche.“

 

10 PAUL VI.: Apost. Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dez. 1975, AAS 68.1976. (abk. EN).

11 Verlautbarungen des Apost. Stuhls 100 Enzyklika REDEMPTORIS MISSIO – über die fortdauernde Gültigkeit des missionarischen Auftrages, 7. Dez. 1990, (abk. RM).

12 Am 20. Nov. 1890 wandte sich LEO XIII. in der Enzyklika Catholicae Ecclesiae an Kardinal Lavigerie über das Werk zur Abschaffung der Sklaverei in den Missionen (ASS XXIII [1890-1891] 257-260).

13 Das tat in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts besonders Pius XII mit seinen beiden Enzykliken „Evangelii Praecones“ und Fidei Donum (1951). Siehe die von E. Marmy und I. Auf der Maur OSB herausgegeben Sammlung Geht hin in alle Welt … Die Missionsenzykliken der Päpste Benedikt XV:, Pius XI., Pius XII. und Johannes XXIII. Paulusverlag Fribourg CH, 1961.

14 Amtliche Vatikanische Fassung. Einführung Leo Scheffczyk, Kommentar Joseph Kard. Ratzinger. Christiana Verlag. Stein a. Rh. 2000

15 Veröffentlicht im Berichtsband des Wheaton-Kongresses: The Church’s World-Wide Mission, hg. v. A. GLASSER; deutsche Übersetzung hg. v. P. Beyerhaus, Bad Liebenzell 1970.

16 Deutsch: Lausanner Verpflichtung; eine treffendere Übersetzung wäre „Bundesschluss“.

17 Abgedruckt bei Hans U. REIFLER: Handbuch der Missiologie, VTR Nürnberg 2005, S. 612-624.

18 W.Eerdmans Publishing Co./Paternoster Press, Ed. John R. W. STOTT and Basil MEEKING, 1986.

19 Der Dialog über Mission zwischen Evangelikalen und der Römisch-katholischen Kirche. TVG R. Brockhaus, Wuppertal, 1987

20 Vgl. die beiden auf dem
I. Ökumenischen Bekenntnis-
kongress in Freudenstadt 2004 gehaltenen Referate von Horst BÜRKLE: „Die Neuevangelisierung Europas – unsere gemeinsame Aufgabe . Katholische Perspektive; – P.BEYERHAUS: „Neuevange-
lisierung Europas als ökumenische Aufgabe. Evangelische Perspek-
tive“, in: DIAKRISIS 26, S. 6-25.

 

21 Georg F. VICEDOM: Missio Dei. Einführung in eine Theologie der Mission, Kaiser,München 21960.

22 Allerdings gab man dem vielfach schlagwortartig gebrauchten Begriff Missio Dei aus
ekklesiozentrischer und aus kosmozentrischer Sicht jeweils unterschiedliche Interpretationen.

23 Der orthodoxe Begriff für Mission ist „Hierapostole (heilige Sendung). Damit meinen die Orthodoxen“das Zeugnis für den lebendigen dreieinigen Gott, der zum Heil aufruft und Menschen mit der Kirche verbindet, die entweder zu ihr nicht gehören oder die Verbindung zu ihr verloren haben.“ Anastasios YANNOULATOS: „Orthodoxe Mission“, in Chr. Dahling-Sander u. a.: Leitfaden Ökumenische Missionstheologie, Kaiser/Gütersloher Verlagshaus 2003, S. 113-129, 113.

24 Peter BEYERHAUS: Er sandte sein Wort. Theologie der Mission Bd. I, Wuppertal 1996, Kap 7; „Ein pneumatisch-heilsgeschichtliches Missionsverständnis als genuine Grundlage der Missionstheologie.“

25 Ansprache Seiner Heiligkeit Papst Benedikt XVI. zum 40. Jahrestag der Konzilserklärung „Ad gentes“über die Missionstätigkeit der Kirche (11. März 2006).

26 Diese These gilt der Beobachtung zum Trotz, dass dieses wichtige Thema von Missiologen auffallend selten systematisch entfaltet worden ist. Einen guten Ansatz bildet das Büchlein von Robert E. COLEMAN: The Masterplan of Evangelism. Vendor Bacon 2 1994.

27 Ad Gentes I,2. Kleines Konzilskompendium S. 608: „In einer Anmerkung erscheint hier ein Verweis auf die Parallele in Lumen Gentium I,2, wo es heißt: „Der ewige Vater hat die ganze Welt nach dem völlig freien, verborgenen Ratschluss seiner Weisheit und Güte erschaffen. Er hat auch beschlossen, die Menschen zur Teilhabe an dem göttlichen Leben zu erheben….“– Bemerkenswert ähnlich hatten es schon 1952 die Teilnehmer der 5. Weltmissionskonferenz in Willingen gesehen. In ihrer Abschlusserklärung: „Die missionarische Verpflichtung der Kirche“ formulierte die Konferenz: „Die Missionsbewegung, von der wir ein Teil sind, hat ihren Ursprung in dem dreieinigen Gott. Aus den Tiefen seiner Liebe zu uns hat der Vater seinen eigenen geliebten Sohn gesandt, alle Dinge mit sich zu versöhnen, auf daß wir und alle Menschen – durch den Heiligen Geist – eines werden möchten in ihm mit dem Vater in jener vollkommenen Liebe, die Gottes eigenes Wesen ist.

28 DOMINUS DEUS 11.

29 RM II, 12: „Jesus bringt den Plan Gottes zur Vollendung“.

30 z.B. 2. Thess. 2; Röm. 9-11; 1. Kor. 15.

31 P. BRUNNER definiert den Begriff: „Unter Heilsökonomie Gottes verstehen wir das Ganze der Veranstaltungen, Stiftungen, Eingriffe, Erwählungen und Zeichengebungen, die Gott selbst im Lauf der Äonen von der Erscheinung an bis zu jener hinter Christi Parusie sich verschließenden Ewigkeit gewirkt hat und noch wirken wird, um das Heil zu verwirklichen, das er bereits vor Grundlegung der Schöpfung für uns bestimmt hat.“ Brunner, P.: Zur Lehre vom Gottesdienst der im Namen Jesu versammelten Gemeinde. In: Leiturgia. Handbuch des Evangelischen Gottesdienstes. Band I, hg v. K.F. Müller und
W. Blankenburg, Kassel 1954, S. 84-361, hier S. 116.

32 Typisch dafür ist der Abschluss der Entfaltung des Geheimnisses der Geschichte Israels im Rahmen des Heilsplanes Gottes mit allen Völkern in Römer 11,33-36.
33 Joh. Paul II sagt in RM II, 17: „Es gibt Auffassungen über Heil und Sendung, die man
»anthropozentrisch« in einem verkürzten Sinn dieses Begriffes nennen könnte, insofern sie auf die irdischen Bedürfnisse des Menschen ausgerichtet sind. In solcher Sicht wird das Reich eher zu einer rein irdischen und säkularisierten Wirklichkeit, in der Programme und der Kampf für sozio-ökonomische, politische und kulturelle Befreiung den Ausschlag geben, aber der Horizont bleibt der Transzendenz gegenüber verschlossen.“

34 David BOSCH bemerkt zu Recht: „Mysterion im neutesta-
mentlichen Sinne als Erkenntnis des göttlichen Heilsplanes ist aber gerade bekannt gemachtes Geheimnis – offenbart im Blick auf die Durchführung dieses Heils-
planes (Oikonomia) im Raume der Geschichte durch die Mission (Eph. 1,9f.).“ BOSCH, D.: „Heils-
geschichte und Mission“, in: Oikonomia. Heilsgeschichte als Thema der Theologie hg. v. Felix Christ. O. Cullmann zum 65. Geburtstag, Hamburg 1967,
S. 388.

35 RM Kap. III: „Der Heilige Geist als Vorkämpfer für die Mission“; hier Nr. 23. – Zu dieser Erkenntnis kam auch die evangelikale Konsultation 1984 in Oslo über die Bedeutung des Hl. Geistes für die Weltevangelisation, vgl. den Bericht von David WELLS: God the Evangelist: How the Holy Spirit Works to Bring Men and Women to Faith, Eerdmans Grand Rapids 1987.

36 Vg. A. v. HARNACK: Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei
Jahrhunderten, 1. Aufl. Leipzig 1902, unveränderter Nachdruck der 4. Aufl. von 1924
im VMA-Verlag Wiesbaden o. J.

37 Joseph RATZINGER: Das neue Volk Gottes. Patmos Düsseldorf
2 1972.

38 Ausdrücklich bei den Synoptikern; Mt 28,18-20; Mk 16,15-118; Lk 24,46-49; bei Johannes 20, 21-23 ist die Bestimmung „in die Welt“ impliziert, vgl. RM III, 22 u. 23.

39 Apg 1,8.

40 In sechs Kontinenten. Dokumente der Weltmissions-
konferenz Mexico 1963, hg. v. Theodor MÜLLER-KRÜGER, Ev. Missionsverlag Stuttgart, 1964.

41 Das Christentum ist mit rund 1,9 Milliarden Gläubigen nach wie vor die größte Religionsgemein-
schaft der Welt. – Wie aus der letzten Ausgabe (2001) der «World Christian Encyclopedia» (Oxford Press , NY) hervorgeht, stellen die Christen etwa 31 Prozent der Weltbevölkerung. Vor 100 Jahren habe ihr Anteil 32,2 Prozent ausgemacht.

42 Übersetzungen der Bibel, des Neuen Testaments oder von ausgewählten biblischen Texten liegen jetzt in 2.479 Sprachen vor. Nach Angaben des der Weltbundes der Bibelgesellschaften (United Bible Societies/UBS) hat sich die Zahl der vollständigen Bibelübersetzungen im Jahr 2008 auf 451 erhöht.

43 Die von den Missions-
statistikern genannten Zahlen schwanken hier stark

44 D. McGAVRAN (Ed.): The Eye of the storm: The Great Debate in Missions, New York 1972, S. 233

45 Sektions-Entwürfe. Vierte Vollversammlung des ÖRK, Uppsala 4. – 20- Juli 1968, ÖRK, Genf 1968.

46 Vgl. P. BEYERHAUS: Bangkok 1973 – Anfang oder Ende der Weltmission? Bad Liebenzell 2 1974.

 

48 In seinem Internet-Artikel „The 10/40 Window . Getting to the Core“ begründet Louis BUSH die missiologische Bedeutsamkeit dieses von ihm geprägten Begriffes: As we approach the end of this millennium, it is imperative that out evangelistic efforts be focused among the people who inhabit The 10/40 Window. If we are serious in our commitment to provide a valid opportunity for every person to experience the truth and saving power of Jesus Christ, we cannot ignore the compelling realities within this region. The 10/40 Window confronts us with several important considerations: first, the historical and biblical significance; second, the least evangelized countries; third, the dominance of three religious blocs; fourth, the preponderance of the poor; fifth, the unreached ethnolinguistic people groups; sixth, the least evangelized megacities; and seventh, the strongholds of Satan within The 10/40 Window.

49 H.U. REIFLER a.a.O. S. 30-34, nach T. YAMAMORI: Unerreichte Völker – Neue Strategien für einen großen Auftrag. Hänssler Verlag Stuttgart 1994.

50 ROM, 28. März 2006 (ZENIT.org

51 St. NEIL: Schöpferische Spannung. Mission zwischen gestern und morgen, Kassel 1967, S. 88

52 In seinem Werk „Transforming Mission“ hat der südafrikanische Missiologe David BOSCH – beeinflusst durch die Systemtheorie des Amerikaners Thomas S. Kuhn und konkret angeregt durch Hans Küng – aufzuzeigen versucht, dass sich die Geschichte christlicher Mission in einem ständigen Wechsel theologischer und strategischer Paradigmen abgespielt habe. Ich halte die Leitthese Boschs für überspitzt, seinem Stoff aufgezwungen und im Blick auf die von ihm behaupteten inhaltlichen Veränderungen der missionarischen Botschaft sogar abwegig.

53 Vgl. J. D. DOUGLAS, a.a.O.: „Track 140: Two Thirds World Missions“, p.p. 390 f.

54 Auf katholischer Seite geht die Entwicklung in dieselbe Richtung. So erklärte der Erzbischof von Sidney Kardinal PELL am 28. März 2006 auf einem Missionskongress an der Urbania in Rom: „Während es in der Vergangenheit die Europäer gewesen waren, die nach Afrika, Amerika und Ozeanien gingen, sind es heute vor allem die Christen aus den ehemaligen Missionsgebieten, die die Europäer an ihre christlichen Wurzeln erinnerten. Bestätigt wurde Pell durch seinen afrikanischen Amtsbruder Erzbischof Antoine Ntalou aus Garoua in Kamerun: „Vor etwa einem Jahrhundert kamen alle Männer und Frauen, die in Afrika als Missionare tätig waren, aus anderen Kontinenten. “ Heute sei das ganz anders.
„Die Missionare, die von auswärts kommen, werden immer weniger, und tatsächlich kehren immer mehr ausländische Missionare, die lange Zeit in Afrika verbracht haben, aus verschiedenen Gründen in ihre Heimatdiözesen zurück.“ Quelle: ZENIT.org: 28. März 2006.

55 Früher sprach man geistlich und professionell deklassierend von ihnen als „Laien“, und in den amtlichen Missions-
dokumenten war leicht kondeszendent von den „Laienhelfern“ die Rede. In den überseeischen Missions-
gebieten waren in der Tat schon immer gewöhnliche Gemeinde-
glieder die Hauptträger der Weitergabe ihres Glaubens an ihre Volksgenossen.

57 Siehe auch das vierte Kapitel „Martyrium und Mission“ (S. 203-217) in der ebenfalls von H. MOLL vorgelegten Studie „Martyrium und Wahrheit. Zeugen Christi im 20. Jahrhundert“ . Weilheim-Bierbronnen 3 2007)

56 Siehe den Bericht von II. Ökumenischen Bekenntnis-Kongress in Bad Blankenburg, Oktober 2006: Weltweite Gemeinschaft im Leiden für Christus, hg. v. Peter BEYERHAUS, VTR Nürnberg 2007.

58 Ivo AUF DER MAUR OSB in der Einleitung zu dem von ihm und E. MARMY 1961 im Paulusverlag Fribourg, hg. Dokumenten-
sammlung Geht in alle Welt … .
Die Missionsenzykliken der Päpste Benedikt XV:, Pius XI., Pius XII. u. Johannes XXIII.

59 Abgedruckt in E. ARMY/I AUF DER MAUR a.a.O. S. 130-161.

60 In RM III, 34. warnt Joh. Paul II. davor, „dass diese ausgesprochene missionarische Aufgabe, die Jesus seiner Kirche anvertraut hat, … innerhalb der umfassenden Sendung des ganzen Volkes Gottes zu.

61 Diese Frage stellt sich besonders hinsichtlich des Verhältnisses zwischen dem Anspruch der Kirche, einzige Trägerin des Heilsangebots im Evangelium von Jesus Christus zu sein und der gleichzeitigen Anerkennung einer Heilsmöglich-
keit auch außerhalb ihrer Vermittlung „auf Wegen, die Gott weiß“. Das Problem wird angesprochen in dem auch in der Erklärung DOMINUS JESUS zitierten paradoxalen Satz in RM 9: „Man muss diese beiden Wahrheiten zusammen gegenwärtig haben, die tatsächliche Gegeben-
heit des Heils in Christus für alle Menschen und die Notwendigkeit der Kirche für dieses Heil“.
Auch konservative Katholiken stoßen sich an dieser Spannung, vg. Johannes DÖRMANN, Der theologische Weg Johannes Paul II. zum Weltgebetstag der Religionen in Assisi, Bd. II.1. Die“trinitarische Trilogie“: Redemptor Hominis, Senden 1992, 36f.

62 Vgl. RM III, 29: „Seine Unterscheidung ist aber eine Aufgabe der Kirche, der Christus seinen Geist gegeben hat, um sie zur vollen Wahrheit zu führen (vgl. Joh 16,13).

63 Walter. FREYTAG (1961): Mission im Blick aufs Ende, in: Ders.: Reden und Aufsätze II, München 186-198.

64 Joh. Paul II.sagt in RM III,36. „Es gibt im Volk Gottes auch interne Schwierigkeiten, die noch viel schmerzlicher sind. Schon mein Vorgänger Papst Paul VI. hat an erster Stelle hingewiesen auf»das Fehlen des Eifers, was umso schlimmer ist, weil es von innen kommt; dies zeige sich in der Müdigkeit, in der Enttäuschung, in der Bequemlichkeit, in mangelndem Interesse und vor allem im Fehlen der Freude und der Hoffnung«.

Vortrag am 29. August 2009 in Castel Gandolfo von Peter J. Beyerhaus

Warum christliche Mission heute?

Einleitung
Eure Heiligkeit! Hochwürdige Herren Bischöfe und Prälaten, verehrte Kollegen und übrige Teilnehmer! Mir ist die ehrenvolle Aufgabe zugefallen, als Gast in diesem päpstlichen Symposion ein Referat über die Begründung und Notwendigkeit der weltweiten christlichen Mission auch noch heute zu halten. In dem Einladungsschreiben wies Herr Pater Horn darauf hin, dass die Motivation zur Mission vielfach unklar geworden sei und zu einer Schwächung der Missionsarbeit geführt habe.
Das ist zweifellos der Fall, und nicht erst seit heute. Als ich mich im Sommer 1954 als Kandidat bei der Berliner Missionsgesellschaft meldete, geschah dies in einer Situation, die zu diesem Schritt keineswegs animierte; denn allenthalben war damals von der „Krise der Mission“ die Rede. Drei Jahre später prägte mein Lehrer Walter Freytag auf der Weltmissionskonferenz in Ghana 1958 sein berühmtes Diktum: „Damals hatte die Mission Probleme, heute ist sie sich selbst zum Problem geworden.“ (1)
Gewiss hat sich seither die Situation der Weltmission in mannigfacher Hinsicht gebessert. Doch zugleich wird sie gerade heute wieder als Problem empfunden – nicht nur weltlicherseits (2), sondern auch in Kirche und Theologie (3). Darum betrachte ich es als Aufgabe dieses Vortrags, zunächst auf dessen Verursachung einzugehen, um mich dann seiner Lösung zu widmen.

I. Krise und Neuaufbruch der Weltmission
Das Wesen der „Krise der Mission“ ist oftmals analysiert worden. Fachleute stellten fest, es handele sich angesichts der totalen Veränderung der politischen, kulturellen und auch kirchlichen Gesamtlage nach dem II. Weltkrieg um eine dreifache Krise, nämlich eine postkoloniale, eine nachpaternalistische und eine Orientierungs-Krise.
Diese Beobachtung traf gewiss zu. Aber das galt wesentlich für die empirischen Aspekte der missionarischen Praxis. Ging man der Sache tiefer nach, so musste man feststellen, dass zahlreiche Missionare und auch deren Leitungen sich innerlich verunsichert fühlen hinsichtlich des Wesens der Mission, der Berechtigung, unter Menschen anderer Religionen und Kulturen für einen doch weithin als westlich empfundenen Glauben zu werben. Können wir wirklich gewiss sein, dass allein die christliche Lehre die für alle gültige Wahrheit und Erlösung anzubieten habe? Ich erinnere mich an ein Gespräch, das ich 1971 in Japan in einem Schwestern-Konvent führte. Die deutsche Priorin trug mir genau diese ihre inneren Probleme vor, und zwar unter Hinweis auf die neue Theologie und auch Erklärungen des II. Vatikanischen Konzils, die ihre vorkonziliare feste römisch-katholische Position ins Wanken gebracht hätten. Ich fühlte mich sogleich in einer transkonfessionellen Schicksalsgemeinschaft; denn auch bei den evangelischen Kirchen und Missionen war seit der III. Vollversammlung des Ökumenischen Rates in Neu Delhi 1961 eine Verschiebung im theologischen Denken über Mission eingetreten, die bei der IV. Vollversammlung in Uppsala1968 in der heftigen Konfrontation zwischen sog. „Ökumenikern und Evangelikalen“, bzw. zwischen „Horizontalisten und Vertikalisten“ offen ausbrach.(4) Das führte bibel- und bekenntnisorientierte Christen zu der Überzeugung, dass es sich bei der „Krise der Mission“ in Wirklichkeit um eine theologisch-geistliche Grundlagen-
krise nicht nur einer Konfession, sondern der ganzen Christenheit handle.(5)
Der 1969 gegründete „Theologische Konvent Bekennender Gemeinschaften“ hat in einem weltweit Aufsehen erregenden Dokument, der sog. „Frankfurter Erklärung zur Grundlagenkrise der Mission“(6), dargelegt, dass es sich nicht nur um eine Erschütterung der Grundlagen der Mission handelte, sondern um eine umfassende Veränderung, die das kirchliche Denken, Lehren und Handeln insgesamt von der Heiligen Schrift und der kirchlichen Tradition abzulösen drohte. Theologisch war diese Entwicklung weitgehend durch die radikale Sachkritik und Entmythologisierung des Neuen Testaments an den Universitäten verursacht. Hier gab es kein einheitliches biblisches Evangelium mehr, sondern stattdessen eine Mehrzahl unterschiedlicher Konzepte bei den einzelnen Autoren oder Quellenschichten. Doch noch umfassender war und ist es die geistesgeschichtliche Ausbreitung eines postmodernen Relativismus und Pluralismus sowie eines multikulturellen Universalismus, welche gemeinsam das Vertreten fester weltanschaulicher Positionen nicht mehr erträgt, sondern dieses als Verstoß gegen das Grundgebot der Toleranz zu diskreditieren sucht. Mission im traditionellen Sinne von Aufruf zur Bekehrung und zum Glauben an das Evangelium von Jesus Christus gilt nicht nur bei religiösen Agnostikern als absurd oder gar friedensstörend. Sogar kirchliche Missionswerke ersetzen sie durch zeitgemäßer erscheinende Aktivitäten wie zwischenkirchliche Hilfe, Entwicklungsdienst und interreligiösen Dialog. In Deutschland und Schweden etwa wird das als peinlich empfunden Wort „Mission“ durch akzeptablere Begriffe wie „Eine Welt“, „Internationale Arbeit der Kirche“ oder „Interkulturelle Theologie“(7) verdrängt. Solche Anpassung an den Zeitgeist wirkt sich unvermeidlich lähmend auf die Missionsbewegung und auf Berufungen zum missionarischen Dienst aus. (8)
Die seit den 1960er Jahren zu beobachtenden inneren Lähmungserscheinungen waren und sind freilich nicht allein durch intellektuelle Anstöße verursacht, sondern bis heute vielfach eher solch geistlicher Art. Missionare verfielen einer inneren Verweltlichung, Selbstzufriedenheit und Trägheit in der Pflege der vita spiritualis sowie einem Aufgehen in Routine und Aktivismus. Insofern war und ist die Grundlagenkrise der Mission nicht nur eine theologische, sondern auch eine geistliche.
Wie sind die Verantwortungsträger der Mission dieser geistigen und geistlichen Krise begegnet?
Zunächst ist an eine Reihe theologisch beachtlicher Verlautbarungen zu erinnern, die seit Mitte der 1960er Jahre veröffentlicht wurden, um den erkannten Gefahren entgegenzutreten und der Mission neue Impulse und Orientierung zu geben. Bemerkenswerter Weise erschienen solche Dokumente in deutlicher Parallelität sowohl auf katholischer wie auf evangelischer Seite und zeigten bei aller konfessioneller Eigenart doch viele inhaltliche Gemeinsamkeiten.
Ihnen allen ging es nämlich um drei Grundanliegen:
Erstens wollten sie unter Wahrnehmung des Absolutheitsanspruches des Evangeliums von Christus– im Widerspruch zu ideologischen Entfremdungen (9) – die Kernelemente des biblischen Heils- und Sendungsverständnisses im pro et contra herausstellen;
zweitens ging es um die Erweckung eines erneuten opferbereiten Sendungsbewusstseins und drittens um die Aufgabe, angesichts der gewandelten Situation praxisnahe Missionsinstruktionen zu erteilen.
Auf katholischer Seite ist hier eine Reihe autoritativer Lehrdokumente zu nennen. Dazu zählen v. a. das vom II. Vatikanischen Konzil in seiner letzten Sitzungsperiode 1965 verabschiedete Missionsdekret Ad Gentes sowie zwei päpstliche Lehrschreiben, nämlich die 1975 ergangene Apostolische Exhortation Pauls VI Evangelii Nuntiandi (10) und die umfangreichere Enzyklika Johannes Pauls II. Redemptoris Missio 1990 (11). Beide Oberhirten setzten hier eine Tradition von Enzykliken fort, in denen die Päpste seit Ende des 19. Jahrhunderts (12) dem Werk weltweiter Glaubensverbreitung die Richtung wiesen.(13) Obwohl nicht direkt der Mission gewidmet, aber für entscheidende Aspekte derselben sehr wichtig war die vom damaligen Kardinal Joseph Ratzinger im Jahre 2000 verfasste Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre „DOMINUS IESUS. Über die Einzigkeit und Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche“(14).
Wichtige evangelikale Missionserklärungen sind die auf dem gemeinsamen Kongress nordamerikanischer Missionswerke verabschiedete Wheaton Declaration 1966(15); die schon erwähnte Frankfurter Erklärung 1970; der beim I. Internationalen Kongress für Weltevangelisation 1974 feierlich beschlossene Lausanne Covenant (16) sowie das auf dem Nachfolgekongress 1989 verabschiedete Manila Manifest (17).
Seitens des Genfer ÖRK veröffentlichte 1982 die damalige Kommission für Weltmission und Evangelisation das Dokument Mission und Evangelisation: eine ökumenische Erklärung.
Diese fasste etliche der wichtigsten Aspekte der Mission zusammen, darunter verschiedene Verständnisse von Mission und deren theologischen Begründungen.
Auch einige konfessionelle Weltgemeinschaften wie z. B. die Orthodoxe Kirche und der LWB legten Grundsatzerklärung über ihr Missionsverständnis vor.
Abschließend möchte ich noch auf ein denkwürdiges ökumenisches Geschehen in den Jahren 1977 – 1984 hinweisen. Im Vatikan hatte man den Aufbruch einer neuen evangelikalen Sammlungsbewegung für Weltevangelisation aufmerksam beobachtet und auch die Missionserklärungen von Frankfurt 1970 und Lausanne 1974 studiert. Dabei stellte man eine beachtliche Gemeinsamkeit zwischen diesen und dem Missionsdekret Ad Gentes sowie der Exhortation „Evangelii Nuntiandi“ fest. Das veranlasste den damaligen Sekretär der Einheits-Kongregation Msgr. Basil Meeking dazu, seinen anglikanischen Landsmann Rev. John Stott, den Cheftheologen der Lausanner Bewegung, zu Lehrgesprächen über die Mission einzuladen, an denen von katholischer und evangelikaler Seite paritätisch je eine sechs-köpfige Delegation mitwirken solle. Aus den drei Zusammenkünften dieser gemeinsamen Arbeitsgruppe, an der ich beteiligt war, ist eine – leider viel zu wenig beachtete – Abschlusserklärung hervorgegangen, die englisch (18) und deutsch“ (19) erschien unter dem Titel: „The Evangelical-Roman-Catholic Dialogue on Mission (ERCDOM) 1977 – 1984. In diesem Bericht werden offen und sachlich sowohl die dogmatischen und missiologischen Überzeugungen genannt, die Katholiken und Evangelikale einen, als auch diejenigen, die sie (noch) trennen. Der Bereich positiver Gemeinsamkeiten wird als so bedeutsam herausgestellt, dass die Teilnehmer sich zu der Hoffnung auf ein gemeinsames Zeugnis in der Evangelisation, die Verkündigung des einen biblischen Evangeliums – nach Ausräumung noch bestehender Lehrunterschiede – bekannten.
Hier ist inzwischen die ökumenische Praxis in Aufnahme erzielter Übereinstimmungen in der Lehre sowohl auf lokaler als auch auf nationaler Ebene wesentlich über unsern damaligen Konsensus hinausgewachsen (20).

II. Trinitarisch-heilsgeschichtliche Begründung der Mission
1. Der ökumenische Konsensus über Mission als „Missio Dei“.
Die Mitte des 20. Jahrhunderts einsetzende Neubesinnung auf das Wesen der Mission führte zu einem neuen Bewusstwerden für deren theozentrische Verankerung. Auf der 5. Weltmissions-Konferenz in Willingen 1952 fand man dafür den Ausdruck Missio Dei.(21) Er ging auf einen 1934 von Karl Barth gehaltenen Vortrag zurück, der darauf aufmerksam gemacht hatte, dass in der klassischen Dogmatik der Begriff „Mission“ seinen Ort in der Trinitätslehre habe, die in heilsökonomischer Fortsetzung der innertrinitarischen processiones des Sohnes und des Geistes von den missiones Dei sprach. In seiner neuen missiologischen Anwendung setzte sich das Wort „Missio Dei“ alsbald weltweit durch.(22) In dem darin ausgedrückten im trinitarischen Heilsplan Gottes fand man eine Übereinstimmung auch in der katholischen und der orthodoxen (23) Missionstheologie. Ich möchte in meinem Referat von diesem ökumenischen Konsensus ausgehen, wenn ich nun meine eigene trinitarisch-heilsgeschichtliche Schau kurz darzulegen versuche.
2. Der vorzeitliche ewige Heilsratschluss des Vaters
Fragen wir nach dem tiefsten Ursprung der Mission, so liegt dieser nicht etwa in der Zeit, auch nicht im Missionsbefehl des Auferstandenen an seine Apostel (Matthäus 28, 18-2). Nein, der Grund ist viel früher gelegt, nämlich im geheimnisvollen Leben der Heiligen Dreieinigkeit selber, wie es sich „immanent“ vollzieht im ewigen Hervorgehen der göttlichen Personen auseinander – durch die Zeugung des Sohnes und die Hauchung des Geistes – und in ihrem erkennenden und liebenden sich füreinander Schenken. Analog setzt sich dieses innergöttliche Leben kraft der freien Selbstbestimmung des Dreieinen zum liebenden Schöpfer und Herrn der Welt „ökonomisch“ fort in einer Geschichte der Selbstmitteilungen Gottes an seine Geschöpfe. Fundamental sind dies die Sendungen Gottes des Sohnes und des Geistes in die Welt. Ihnen voraus gingen aber schon die im Alten Testament berichteten Sendungen Abrahams, Moses, von Engeln, Richtern und Propheten sowie proklamatorisch die Sendung Israels an die Völkerwelt (Ex 19,4-6).
Was ist die Ursache für diesen folgeträchtigen Umschlag von der Ewigkeit in die Zeit, für dieses Heraustreten des allgenugsamen Gottes aus sich selbst und seinen Eintritt in die Geschichte?
Die biblischen Schriften verweisen uns auf seinen vor Grundlegung der Welt gefassten ewigen R a t s c h l u s s, in welchem das gesamte Handeln Gottes in der Geschichte und deren letztes Ziel begründet liegt. Dieser Gedanke kommt in der Heiligen Schrift – teils ausdrücklich, teils implizit – so oft, klar und betont zum Ausdruck, dass wir mit exegetisch und dogmatisch gutem Gewissen die trinitarische Entfaltung der in Christus zentrierten Heilsgeschichte als das Leitmotiv der Bibel bezeichnen können, das Altes und Neues Testament zur Einheit verbindet. (24)
3. Die missiologische Implikation des göttlichen Heilsratschlusses
Die teleologische Sinnmitte der Heilsgeschichte liegt in der Offenbarung und unaufhaltsamen Verwirklichung des göttlichen Heilsplanes. Von daher erfahren auch die S e n d u n g e n des Sohnes, die des Geistes und die der Kirche ihre formale und inhaltliche Bestimmung. Papst Benedikt formulierte es so: „Durch das Geheimnis der Menschwerdung ist der einzige Sohn zum wahren und höchsten Mittler eingesetzt worden. In ihm, der gestorben und auferstanden ist, erreicht die fürsorgliche Liebe des Vaters jeden Menschen – in den Formen und auf den Wegen, die nur er kennt. Aufgabe der Kirche ist es, diese göttliche Liebe dank dem lebendig machenden Wirken des Heiligen Geistes unablässig zu vermitteln.“ (25) Wir können also sagen:
Mission ist eine der Kirche Jesu Christi anvertraute Ausführung des Heilsplanes Gottes mit und in der Welt in der heilsgeschichtlichen Epoche zwischen Himmelfahrt und Parusie Christi, in Fortsetzung seiner eigenen heilsgeschichtlichen Sendung. Sie geschieht in geistgeleitetem Gehorsam gegenüber Seiner unsichtbaren, erlösenden Königsherrschaft über Kirche und Welt.
Die Begründung der Mission in Gottes Heilsratschluss ist ein kardinales Kennzeichen heilsgeschichtlicher Missionstheologie (26). Sie bildet den Ansatzpunkt für die theologische Grundlegung im konziliaren Missionsdekret Ad Gentes (1966). Hier erklärten die Konzilsväter:
„Die pilgernde Kirche ist ihrem Wesen nach `missionarisch’…, da sie selbst ihren Ursprung aus der Sendung des Sohnes und der Sendung des Heiligen Geistes herleitet gemäß dem Plan Gottes des Vaters. – Dieser Plan entspricht der `quellhaften‘ Liebe, dem Liebeswollen Gottes des Vaters.“ (27)
4. Die Sendung des Sohnes
In der Mitte der vom dreifaltigen Gott verfügten Heilsordnung steht das Mysterium der Fleischwerdung des Wortes, des Mittlers der göttlichen Gnade im Schöpfungs- und Erlösungswerk (Kol 1,15-20). (28) Jesus selber war in seiner eigenen Heilssendung und in der Aussendung seiner Apostel von dem Bewusstsein bewegt, dass sich darin ein dem Ratschluss seines Vaters entspringender Plan verwirkliche (29). Das geht besonders deutlich aus einem Logion hervor, das sich mit einer kleinen Variante in seiner Ölbergrede in Markus 13,10 und Matthäus 24,14 findet. Bei ersterem lautet es kurz: „Unter allen Völkern muß zuvor das Evangelium verkündigt werden:“ Dies „muss“ (gr. dei) ist nicht imperativisch gemeint. Vielmehr weist es auf die Verankerung im göttlichen Heilsplan hin, es bezeichnet eine heilsgeschichtliche Notwendigkeit. Bei Matthäus ist das Wissen um sie zur prophetischen Ansage geworden. Hier heißt es indikativisch: „Dieses Evangelium wird auf dem ganzen Erdkreis allen Völkern zum Zeugnis gepredigt werden, und dann wird das Ende kommen. Die weltweite Bezeugung ist also eine Voraussetzung für die Aufrichtung der Königsherrschaft Gottes in Macht und Herrlichkeit. Dieser geht jedoch ein grundlegendes Heilsereignis voraus: Der Sühnetod Jesu am Kreuz für die Sünden der Welt und seine Auferweckung als Anbruch der neuen Schöpfung und Inauguration seiner sichtbaren Machtergreifung. Nach Matthäus 28,18-20 ist die Weltmission der Apostel deren Konsequenz. Das Doppelereignis von Christi Erlösungstod und Auferstehung ist also die theologische Basis der Mission, und auf dieser Grundlage erteilt der auferstandene Herr seinen Jüngern den Missionsbefehl. Sie zusammen bilden das Herzstück des missionarischen Kerygma.
Diese Sicht bestimmt auch das Sendungsverständnis des Paulus (30) wie schließlich die prophetische Geschichtsschau der Johannes-Offenbarung (Off. 5,1, vgl. Dan. 12,9).
Beides, Christi heilsbegründendes Werk und das Amt des Apostels, sind Teile einer einzigen großen Heilsökonomie. (31) Diese bekommt ihre Bestimmung in einem vor Grundlegung der Welt gefassten Heilsratschluss Gottes des Vaters, und sie erhält durch das Zusammenwirken Christi und des Heiligen Geistes (Eph 1,13) mit Ihm ihre trinitarische Struktur.
Nicht ohne Grund münden die biblischen Besinnungen über Wesen und Tiefe des göttlichen Heilsplanes aus in einen Lobpreis Gottes. (32) Indem der der Weltgeschichte zugrunde liegende Heilsplan seinen Ursprung im Dreieinigen Gott hat, seine Verwirklichung in jedem Stadium Ihm allein verdankt und schließlich in der beseligenden Ausrichtung alles Geschaffenen auf Ihn hin sein Ziel erreicht haben wird, ist das grundlegende Motiv das doxologische. Der Heilsplan zielt auf die Verherrlichung Gottes selber. Damit ist er allem selbstmächtigen Zugriff der Menschen zur Erreichung eigener Absichten entnommen.
Dies unterscheidet die biblische Geschichtstheologie von allen Ideologien, die den Sinn und die Wirkungsgesetze der Geschichte je einem innerweltlichen Interesse der Menschheit zuordnen und dienstbar machen. Im heutigen missions-theologischen Ringen um den Sinn der Weltmission ist diese Beobachtung von fundamentaler Bedeutung! Das gilt auch im Blick auf alle modischen Genetiv-Theologien, welche die doxologische und soteriologische Füllung des Evangeliums einem jeweiligen immanenten, anthropozentrischen Interesse opfern. (33)
5. Die Sendung der Apostel
Zur Verwirklichung dieses drei-dimensionalen Heilsplanes, welcher der Heilstat Gottes in Christus folgt, hat dieser in Fortsetzung seiner eigenen Sendung den Apostolat, d.h. die Missioneingesetzt. Durch sie soll die Kundmachung und Inkraftsetzung des Heilsmysteriums in Christus unter allen von ihm umfassten Geschöpfen (Markus 16,15) geschehen. Es ist dies eine „ökonomische Beauftragung“, die Paulus ausdrücklich definiert als die Dienstgnade, „den Heiden als frohe Botschaft den unergründlichen Reichtum Christi zu verkündigen und für alle ans Licht zu bringen, welches die göttliche Veranstaltung des Geheimnisses ist …“ ( Eph 3,8)
D.h. also: Die Entbergung des im Heilsratschluss Gottes beschlossenen Heilsgeheimnisses drängt zur Mission, und zwar zuvörderst unter dem Volk Israel, dem dies Geheimnis als erstem anvertraut worden war (Röm. 9,4), das jedoch durch seine Abweisung Jesu und des am Kreuz vollbrachten Heiles gegenüber seiner Berufung versagt hat. Darüber hinaus aber treibt dann die Enthüllung des Heilsgeheimnisses an die Apostel und durch sie an die Gemeinde diese zur Mission unter allen Völkern der Erde an. (34)
Beide, die Mission an Israel und die an alle Völker, stehen in einem geheimnisvollen heilsgeschichtlichen Zusammenhang: Der geringe Respons, den die Evangeliumspredigt bei den Juden bisher findet, ist einbeschlossen in einen umgreifenden eschatologischen Plan mit dem ersterwählten Bundesvolk. Paulus weissagt in Röm 11, 25f: „Verstockung ist über einen Teil der Israeliten gekommen, bis die Vollzahl der Heiden [d. h in die Gemeinde Christi] eingegangen sein wird, und auf diese Weise wird Israel in seiner Gesamtheit gerettet werden.“
6. Die Sendung des Geistes
Damit Juden wie Heiden die ihnen verkündete geheimnisvolle Botschaft fassen und annehmen können, bedarf es eines zusätzlichen Heilswunders, das gleichfalls zum Inhalt des Heilsplanes Gottes gehört: Es ist die Überführung und Erleuchtung durch den Heiligen Geist. (Eph. 1,13). Erst nach seiner Ausgießung, welche nach Jesu Weisung die Apostel abwarten sollten, konnte deren Sendung in Kraft treten. Er ist besonders in der Sicht des Lukas in der Apostelgeschichte, aber nach Jesu Ankündigung des kommenden Parakleten auch nach Johannes (14,16f: 26 und 16,7-11) der eigentliche Herr sowie die überführende und die Kirche bauende Kraft der Mission. Johannes Paul II nennt ihn „die Hauptperson für die ganze kirchliche Sendung“ (35) Insofern ist das inhaltliche Prinzip des Heilsplanes Gottes durchgehend trinitarisch geprägt: Der Heilsratschluss entspringt aus Gott dem Vater, die Erlösung wird vollbracht durch den Sohn, und die Erleuchtung zur Annahme der Gnade geschieht im Heiligen Geist.
7. Die Sendung des Volkes Gottes
Wir finden in der Bibel zwar keinen Auftrag an die gesamte Kirche zu einer nationale Grenzen überschreitenden Missionsarbeit. Und doch verdankte sich die rasche Ausbreitung des Christentums im nachapostolischen Zeitalter hauptsächlich dem spontanen Zeugnis von den sich im Imperium Romanum bewegenden Christusgläubigen. (36) In der Tat ist in der Aussendung der Apostel zur Völkermission das Mitwirken des ganzen Volkes Gottes impliziert. Den Ansatzpunkt dafür finden wir in Ex 19,3-8. Hier begründet Jahweh die Herausführung Israels aus Ägypten und den Bundesschluss am Horeb damit, dass er es vor allen Völkern zu einem „Königreich von Priestern und einem heiligen Volk“ machen wollte. Es ist heilsgeschichtlich höchst bedeutsam, dass der 1. Petrusbrief (2,9f.) die gleiche Erwählung, Privilegierung und Beautragung nunmehr auf die Kirche, das „neue Volk Gottes“ (37) , bezieht: Ihr dagegen seid das ‚auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft … das zum Eigentum erkorene Volk’ und sollt die Tugenden (d.h. Ruhmestaten) dessen verkündigen, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht berufen hat …“.
Zur Erfüllung dieses Auftrages ist zu Pfingsten über die ganze Gemeinde der Heilige Geist ausgegossen worden, damit die Amtsträger die Gläubigen zum Gebrauch der ihnen verliehenen Gnadengaben ertüchtigen (Eph 4,11-13).
Die Frankfurter Erklärung betont daher gleich in ihrem ersten Satz den unlöslichen Zusammenhang von Missio Dei und Missio Ecclesiae: „Die Kirche Jesu Christi hat das heilige Vorrecht und die unabdingbare Verpflichtung, an der Sendung des dreieinigen Gottes in die Welt teilzunehmen.“Durch die Taufe im Namen des Dreieinigen Gottes ist ja jeder Christ in den Leib Christi eingegliedert und bekommt somit in je eigener Weise Anteil an dessen Heilssendung.

III. Die geschichtliche Herausforderung zur Weltmission –
Chancen und Probleme
1. Der universale Umfang der Beauftragung
Ein gemeinsames Element in den sechs Varianten, in denen der Großen Missionsauftrag in den Evangelien (38) und der Apostelgeschichte (39) erscheint, ist seine universale Dimension. Der auferstandene Kyrios sendet seine Apostel zu allen Völkern in der ganzen Welt; sie sollen seine Zeugen sein in sich ständig ausweitenden konzentrischen Kreisen: angefangen in Jerusalem und in ganz Judäa und Samaria bis ans Ende der Erde. Weil Christus alle Macht im Himmel und auf Erden gegeben wird, kennt seine durch die Mission aufzurichtende Königsherrschaft keine Grenzen und Einschränkungen. Sie soll sich durchsetzen in allen Machtbereichen und Kulturen, unter den Anhängern aller Weltanschauungen und Religionen. Zu diesen gehören auch die monotheistischen Religionen, insofern als sie Jesus Christus nicht als Gott und Heiland anerkennen.
Auch Israel ist davon nicht ausgenommen, wie in neuerer Zeit der Neutestamentler P. Stuhlmacher betont hat: Wies doch schon der vorösterlichen Jesus seine Jünger bei deren ersten Aussendung ausdrücklich an die „verlorenen Schafe des Hauses Israel (Mt 10,6), und auch nach der nationalen Entgrenzung der Mission durch die Erhöhung Christi verkündigten die Apostel die Heilsbotschaft „den Juden zuerst und auch den Griechen“ (als Repräsentanten der Heidenvölker; Röm 1,16).
Die Kirche hat in ihrer fast 2000jährigen Geschichte diesen weltweiten Auftrag wahrgenommen, wenn auch nicht in allen Epochen mit gleicher Intensität und in gleicher Reinheit hinsichtlich drohender Überfremdungen. Die Frucht dieser Arbeit ist ihre Einpflanzung auf allen sechs Kontinenten (40) und in den allermeisten Ländern – freilich in sehr unterschiedlicher Größe.
Zum Beginn des dritten Jahrtausends sind die Kirchen und einzelnen Christen vor viele
Herausforderungen und gleichzeitig vielfältige Möglichkeiten gestellt: Auf der einen Seite wachsen die Kirchen auf globaler Ebene weiterhin beträchtlich. Mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung gehört einer christlichen Kirche an. (41) In absoluten Zahlen wächst die Zahl der Christen teils durch biologisches Wachstum, teils aufgrund erfolgreicher Evangelisationsarbeit ständig, (auch wenn ihr prozentualer Anteil an der Weltbevölkerung seit 1900 mit ca. 33% stagniert). Rundfunk und Zeitschriftenwesen bringen die christliche Botschaft bis in die entlegensten Teile der Erde. Zahlreiche soziale und spirituelle Dienste und Werke blühen.
Die Bibel bzw. Bibelteile werden in einer Vielzahl von Sprachen verbreitet, und jährlich
kommen Übersetzungen in weitere der über 2000 bekannten Sprachen hinzu. (42) Damit bleibt die Bibel das am häufigsten übersetzte und am weitesten verbreitete Buch der Welt.
Zu den Wundern der jüngsten Missionsgeschichte gehört die Tatsache, dass im
Kommunistischen China trotz 20jähriger brutaler Christenverfolgung die Zahl der Gläubigen nicht etwa dezimiert worden, sondern sogar gewachsen ist. Im ganzen Land gibt es unter den 1,3 Milliarden Einwohner heute schätzungsweise 12-14 Mio. katholische Christen, rund viermal so viele wie 1949. Die Zahl der protestantischen Christen wird heute auf 25-80 Mio. geschätzt. (43)

2. Die noch vor uns liegende Aufgabe
Auf der anderen Seite ist die Weltevangelisierung noch keineswegs vollendet. Wie schon das Missionsdekret Ad Gentes (II, 10) – jeden voreiligen Triumphalismus abwehrend – im Jahre 1965 feststellte, ist sich die Kirche bewusst, „dass noch eine ungeheure missionarische Aufgabe vor ihr liegt. Es gibt zwei Milliarden Menschen – und ihre Zahl nimmt ständig zu (PB: inzwischen sind es mindestens drei Milliarden!) – die große festumrissene Gemeinschaften bilden … die das Evangelium noch nicht oder doch kaum vernommen haben.“ – Auf evangelischer Seite griff der amerikanische Missiologe Donald McGavran dieses Memento auf und richtete in einem dringlichen Aufruf an die im August 1968 in Uppsala tagende IV. Vollversammlung des ÖRK die vorwurfsvolle Anfrage: „Wird Uppsala die zwei Milliarden verraten?“ (44) Im Vorbereitungsdokument für die Missionssektion (45) war nämlich von Evangelisation und Kirchenpflanzung gar nicht mehr die Rede; betrachtete man doch angesichts der Entstehung einheimischer Kirchen in der Dritten Welt diese klassische Aufgabe als erfüllt. Stattdessen propagierte man den sozial-ethischen Einsatz von Christen an den „Spannungsherden der Gesellschaft“ als heute relevante Form von Mission.
Die 8. Weltmissionskonferenz in Bangkok 1973 rief sogar zu einem „Moratorium der Mission“ auf. (46)
Darauf hin sah die evangelikale Missionsbewegung der Kairos gekommen, im folgenden Jahre auf dem Lausanner Kongress die Aufmerksamkeit auf die vom Evangelium noch „unerreichten“ Bevölkerungsgruppen zu richten. Deren Zahl wird heute von den Missionsstatistikern auf etwa 12.000 eingeschätzt. Die Missionsanthropologen bezeichnen diese als „homogene Einheiten“, deren Volksgruppen inmitten größerer Länder in abgeschotteten Subkulturen ihr Eigenleben führen und von den benachbarten einheimischen Kirchen kaum wahrgenommen werden. (47)
Seither erblickt die evangelikale Weltmissionsbewegung ihre vorrangige Aufgabe weniger in der Betreuung bereits gebildeter Kirchen, als vielmehr im grenzüberschreitenden Eingehen auf die Herausforderungen durch die Unerreichten. Diese werden jedoch nicht mehr ausschließlich auf geografischen „Missionsfeldern“ geortet.
Allerdings gibt es auch das von den Missionsstrategen so bezeichnete interkontinentale „10/40-Fenster“ (48) . Das ist der Gürtel, der sich zwischen dem 10. und 40. Breitengrad nördlich des Äquators vom Atlantik über Afrika und Mittelasien bis hin an die pazifische Küste des Fernen Ostens hinzieht. In diesem Bereich leben die über drei Milliarden zählenden resistent erscheinenden Blocks der drei nichtchristlichen Weltreligionen Islam, Hinduismus und Buddhismus. 97% der Bewohner der am wenigsten evangelisierten Länder der Erde, 82 % der Ärmsten der Armen leben in diesem Fenster. Dementsprechend herrscht dort auch tiefste Lebensqualität (Lebenserwartung, Kindersterblichkeit, Analphabetismus). (49) Unter ihnen existiert nur eine proportional fast verschwindende christliche Minorität, unter der bisher nur ein geringer Anteil (ca. 7 %) der Gesamtzahl christlicher Missionare arbeitet.
Aber dessen ungeachtet werden die Einsatzbereiche für die Mission in wachsendem Maße auch von kulturellen und soziologischen Gesichtpunkten bestimmt. Auf katholischer Seite sieht man dies ebenso. Anlässlich des 40jährigen Gedenkens an die Verabschiedung des vatikanischen Dekrets Ad Gentes konstatierte Papst Benedikt XVI. in einer Grußbotschaft (50) ähnliche Reflektionen seines Vorgängers aufnehmend:
„Der Aufgabenbereich der „Missio ad gentes“ erscheint somit beachtlich erweitert und lässt sich nicht allein auf der Grundlage geographischer oder rechtlicher Überlegungen definieren. Tatsächlich sind nämlich nicht nur nichtchristliche Völker und ferne Länder, sondern auch die soziokulturellen Umfelder und vor allem die Herzen die wahren Adressaten der missionarischen Tätigkeit des Volkes Gottes.“ Ermahnend erinnerte er in diesem Zusammenhang an die von Johannes Paul II. betonte „Notwendigkeit, dieser Verpflichtung Nachdruck zu verleihen. Denn die missio ad gentes scheine heute aufgrund von Schwierigkeiten, „die durch das veränderte anthropologische, kulturelle, soziale und religiöse Bild der Menschheit bedingt sind, mitunter eine Phase des Rückgangs durchzumachen. „Die Kirche ist heute dazu aufgerufen, sich neuen Herausforderungen zu stellen.“Dazu gehöre auch die Bereitschaft, „mit verschiedenen Kulturen und Religionen einen Dialog zu führen und so zusammen mit allen Menschen guten Willens nach dem Aufbau eines friedlichen Zusammenlebens der Völker zu trachten“.
Offen gestanden bin ich dafür dankbar, dass Papst Benedikt in diesem letztgenannten Punkt nicht von einem integralen Bestandteil der speziellen „missio ad gentes“ sprach,sondern als Beauftragte die Kirche als ganze nannte. Seit vier Jahrzehnten wird konfessionsübergreifend darüber debattiert, wie inklusiv der biblische Missions-
auftrag eigentlich zu verstehen und was das Proprium der Mission im Rahmen der vielfältigen Gesamtaufgabe der Kirche sei. Das ist natürlich eine Definitionsfrage, die jedoch für die Dienstanweisung an die Missionswerke von weitreichen Folgen ist. Wenn nämlich – wie die Anwälte eines kosmozentrisch orientierten Missions-
verständnisses meinen – alles was die Kirche in der Welt tut, „Mission“ ist, so werden die Vertreter eines ekklesiozentrischen Missionsverständnis – sei dieses nun evangelikal kongregationalistisch, sei es katholisch sakramental bestimmt – die Stirn runzeln. Sie werden dem Apercu des verstorbenen anglikanischen Missions-Bischofs und Missiologen Stephen Neill zustimmen: „Wenn alles Mission ist, dann ist nichts Mission.“ (51) Er wollte damit sagen, dass die Mission in einem diffusen Nebel allgemeiner Weltverantwortung verschwinden würde. Außerdem würden die Missionare und Evangelisten durch eine derart erweiterte Aufgabe überfordert; denn dafür sind sie nicht ausgebildet. Die Heilssendung Jesu an Israel und die Heidenvölker gilt nun einmal primär der Errettung aus Sünde, Schuld und dämonischen Banden durch die Versöhnung mit Gott, und erst sekundär der ethischen Transformation gesellschaft-
licher Strukturen. Denn eine solche, wie erstrebenswert sie auch ist (Matth 5,13f), wird in diesem alten, immer noch vom Fürsten dieser Welt beherrschten Äon ((Joh 14,30; Eph 6,12; Offb 13,12) bis zu Jesu Parusie nur Stückwerk bleiben.

IV. Der gegenwärtige Gestaltwandel der Mission
Obwohl der Missionsauftrag Jesu und die Zentralmotive kirchlicher Mission aller Zeiten gleich bleiben, kann Mission heute nicht einfach strukturelle Perpetuierung traditioneller Missionsmodelle sein. (52) In jeder neuen Epoche haben sich die kirchlichen Missionen aufgrund wandelnder historischer Bedingungen in ihren Methoden und der Gestalt ihres geist-leiblichen Angebots den veränderten Herausforderungen angepasst, oft allerdings erst nach heftigen internen Auseinandersetzungen. Da, wo sie sich dem kategorisch versagten, verurteilten sie sich selbst zur Erfolglosigkeit.
Mit einem epochalen Situationswandel hatten es die christlichen Missionen im zurückliegenden 20.Jahrhundert und haben sie es im begonnen dritten Jahrtausend. zu tun.
Die entscheidende Zäsur brachten allerdings schon die weltweiten Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges in der Mitte vorigen Jahrhunderts. Ich nenne das Aufsteigen und Untergehen totalitärer Ideologien, das nationalistische Selbständigwerden entkolonialisierter Staaten, die im Gefolge des Weltwirtschaftsystems sich verschärfende Spannung zwischen den verarmten Massen und der Oberschicht in der Zweidrittelwelt, sowie das Erwachen sendungsbewusster asiatischer Religionen. Das alles zeitigte einschneidende Konsequenzen für die ökumenische Verbundenheit der Kirchen in Ost und West, Nord und Süd, sowie für deren Missionstätigkeit.
Wegen der gebotenen Kürze spreche ich nur stichworthaft die wesentlichsten an:

1. In Überwindung des bisherigen Eurozentrismus ist die Operationsbasis der Mission nicht mehr vorrangig die Kirche des Westens – so sehr Europa im Hinblick auf die Wahrung der Identität des Evangeliums auch in Zukunft eine besondere Verantwortung tragen wird –etwa aufgrund ihres Reichtums oder der Höhe abendländischer Kultur Das traditionelle Missionsziel Plantatio ecclesiae ist missionsgeschichtliche Tatsache geworden. Vielerorts entstanden einheimische, missionsbewusste Kirchen. Mission geschieht deswegen heute in Partnerschaft, und dies aus allen sechs Kontinenten in alle sechs Kontinente. Die Kirche ist nunmehr eine weltumspannende Gemeinschaft von Ortskirchen geworden, und die Devise lautet:
Die ganze Kirche ist aufgerufen, das ganze Evangelium
der ganzen Welt zu bezeugen
2. Das Gravitäts-Zentrum des Christentums verschiebt sich global in den Süden und Osten. Das hat auch damit zu tun, dass das einst „christliche Abendland“ sich einem weitgehenden Säkularisierungsprozess ergeben hat und nunmehr selbst dringend einer Neuevangelisierung bedarf.
3. Mission der einheimischen Kirchen: Seit den 1980er Jahren kam es zu einer
bemerkenswerten Entwicklung in der evangelikalen Christenheit: das Auftauchen einer neuen Missionskraft aus der Mitte der jüngeren Kirchen in der Dritten bzw. Zweidrittel-Welt (53).
Auf evangelischer Seite entsandten neue Missionsgesellschaften transkulturelle Missionare, deren Anzahl inzwischen die ihrer westlichen Kollegen übersteigt.(54) Erfreulich ist auch, dass die asiatischen, afrikanischen und lateinamerikanischen Missionare kaum auf größeren Widerstand einzig aus kulturellen oder politischen Gründen stoßen. Manchmal wächst sogar ihre Akzeptabilität mit der Entfernung von ihrer Heimat.
4. Die Augenöffnung für das soziale und gesundheitliche Elend der besitz- und rechtlosen Massen der Zweidrittelwelt lässt Missionare ihre soziale, medizinische und auch politischeVerantwortung in Situationen von Ausbeutung, Unterdrückung und Epidemien wie besonders die AIDS-Seuche erkennen. Hand in Hand mit der Verkündigung geht deswegen die leibliche Lebenshilfe! Papst Benedikt XVI. führte während seines Deutschlandbesuchs 2006 aus: „Evangelisieren bedeutet in jedem Fall nicht nur eine Lehre unterrichten, sondern den Herrn Jesus in Wort und Tat verkünden, also Werkzeug seiner Gegenwart und Wirksamkeit in der Welt werden. Mission steht in einem holistischen Zusammenhang. So wird zu einem engen Begleiter der Mission im Kampf gegen Hunger, Armut, Verletzung der Menschenrechte, Zerstörung der Schöpfung.“Ähnliche Aussagen finden auch in Dokumenten wie der Pastoral-Konstitution Gaudium et Spes, sowie in den evangelikalen Missionserklärungen.
5. Missionsverantwortung der „Laien“
Eine bedeutsame Entwicklung in der neueren Missions-Theorie und -Praxis ist die Anerkennung der hohen Bedeutung, welche der Mitarbeit nicht ordinierter Gemeindeglieder für die heimische Evangelisation und auch für die transkulturelle Mission zukommt. (55) In jüngerer Zeit wurde man semantisch und ekklesiologisch darauf aufmerksam, dass der Begriff „Laie“ vom griechischen Wort Laos = Volk abgeleitet ist und somit die Laien primär das Volk Gottes bilden. An das Gelingen der missionarischen Mobilisierung des neuen Gottesvolkes als ganzen heftet Sich die Hoffnung auf die Erfüllung des großen Auftrages des auferstandenen Christus.
Es fehlt die Zeit, die für die Mission neu entstandenen Aufgaben im Hinblick 6. auf die Inkulturation des Evangeliums, 7. den interreligiösen Dialog und 8. die heutigen technischen Möglichkeiten näher zu entfalten.“
9. Mission geschieht zunehmend in ökumenischer Gemeinschaft von evangelischen und katholischen Veranstaltern. Vielerorts lässt sich eine Überwindung konfessionalistischen Konkurrenzdenkens beobachten.
10. Im 20. und 21. Jahrhundert ist es in manchen Gebieten zu einem Erstarken antichristlicher Ideologien und Religionen gekommen wie besonders des Kommunismus und des Islamismus. Sie richten sich vehement gegen jedes Werben für den christlichen Glauben, ja in manchen Ländern sogar gegen stille gottesdienstliche Zusammenkünfte von Christusgläubigen. Das erfordert von Missionaren und caritativen Helfern, ja allen einheimischen Christen, die Bereitschaft zum Martyrium. (56) Reichhaltige Beispiele finden wir unter den 200 deutschen katholischen Missionsmartyrern im zweibändigen Werk „Zeugen für Christus“ (57) , das der unter uns anwesende Kölner Prälat Helmut Moll herausgegeben hat.




V. Folgerungen
Abschließend möchte ich noch einmal meine Freude darüber ausdrücken, dass bei dieser theologischen Arbeitstagung die Mission zum Thema gemacht worden ist.
Der Zeitpunkt dafür war auch insofern günstig gewählt, weil im kommenden Jahre die evangelischen Missionen in mehreren Erdteilen Jubiläumskonferenzen in Erinnerung an die bahnbrechende 1. Internationale Missionskonferenz in Edinburgh 1910 veranstalten werden.
Bei meiner Vorbereitung kam mir der kühne Gedanke, ob unsere heutige Besinnung vielleicht den Anstoß dazu geben könnte, der Mission wieder einmal eine päpstliche Enzyklika zu widmen – 90 Jahre nach dem Lehrschreiben „Maximum illud“ Benedikts XV., nach welchem „die moderne Missionstätigkeit einen ungeheuren Aufschwung nahm“, 50 Jahre nach dem daran erinnernden Rundschreiben Johannes XXIII. „Princeps pastorum“ (58), 20 Jahre nach dem Erscheinen der wichtigen Enzyklika Johannes Paul II. „Redemptoris Missio“. – In diesen Dokumenten ist Grundlegendes zur bleibenden Gültigkeit der Missio ad gentes dargelegt worden. Daran anknüpfend und weiterführend könnte auch die nächste Missionsenzyklika theologische Grundlagenklärung, geistliche Ermutigung und strategische Wegweisung geben in einer Zeit, wo die Kirche vor neuen missionarischen Herausforderungen steht.
Eine denkbare Alternative wäre eine gemeinsame interkonfessionelle Erklärung, die von solchen Fachleuten erstellt wird, die positionell das gleiche biblisch-theologische Missionsverständnis vertreten sowie auch die Besorgnis um dessen gegenwärtige Auflösung teilen. Ich denke an das Bestreiten der Berechtigung der Mission durch wachsende äußere Widerstände sowie auch an ihre innerchristliche Hinterfragung aufgrund der zersetzenden Wirkung des geistesgeschichtlichen Relativismus und (59) religionstheologischen Pluralismus. Auch könnte ein solches Dokument antworten auf einige Fragen, die aufgrund innerer Spannungen zwischen unterschiedlich gewichtenden Aussagen früherer kirchlicher Verlautbarungen zu bestehen scheinen:

Was ist das Proprium der Mission innerhalb des Gesamtauftrages der Kirche in der Welt? (60)

Wie verhalten sich das seelen-gewinnende Zeugnis und die Verständigung suchende Empathie im interreligiösen Dialog zueinander? (61)

Nimmt der christliche Gesprächspartner die biblische Komplementarität von Anerkennung der Wahrheitssuche in den Religionen einerseits und dem prophetischen Gerichtsurteil über deren götzendienerische Verirrungen andererseits ernst?

Wo ist hier ist Unterscheidung der Geister geboten? (62)

Was ist zu den speziellen und höchst kontroversen Themen der Begegnung zwischen den drei „abrahamitischen Religionen“ Christentum, Judentum und Islam zu sagen? Schulden wir auch den beiden letztgenannten das Bekenntnis zur „Einzigkeit und Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche?

Welches sind die Grundlagen und Grenzen für ein gemeinsames Zeugnis sowohl bei der Neuevangelisierung Europas wie auch in der Missio ad gentes? Gibt es dafür beiderseits bejahte Richtlinien?

Was folgt aus der heilsgeschichtlichen Einbettung der Mission für ihre eschatologische Ausrichtung auf das Ende der Geschichte und die Wiederkunft Christi dem sie ja den Weg bereiten soll? (63)

Vermittelt die kirchliche Verkündigung und Lehre das Wissen darum, dass die zur Jüngerschaft gehörende Konfrontation mit den widergöttlichen Mächten ihren Höhepunkt in der Verfolgung durch den Antichristen finden wird?

Bereiten wir unsere Missionare wie auch uns selber realistisch vor auf das Martyrium, das gerade im 21. Jahrhundert zur Wesensgestalt der Kirche Jesu Christi gehören wird?

Ich komme in Aufnahme von schon zuvor Gesagtem zum Schluss:
Das Hauptanliegen aller aktuellen Manifeste zur Mission und Evangelisation ist das geistliche Verlangen, angesichts bedrohlicher Lähmungserscheinungen (64) das Sendungsbewusstsein des Volkes Gottes als ganzen und die Berufungsgewissheit von Missionaren und Evangelisten neu zu beleben. Ein Motto der norwegischen Missionsbewegung lautet: „Mission ist Sache der brennenden Herzen“. Der Ruf zur Erneuerung in der Mission setzt eine dringend nötige geistliche Erneuerung in Kirchen und Missionen voraus. Wie viele Brüder und Schwestern habe ich es in meinem eigenen Dienst erfahren: Das innere Zentrum der Mission ist das Gebet. Ermahnte doch schon der Apostel Paulus seine Gemeinden:
„Betet allezeit im Geist mit Bitten und Flehen … auch für mich, dass mir … das Wort gegeben werde, um freimütig das Geheimnis der Heilsbotschaft zu verkündigen.“ ( Eph 6,18f.)

© Peter Beyerhaus